"Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen setzen gleiche Bedingungen für die Partner voraus"

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"Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen setzen gleiche Bedingungen für die Partner voraus"

Interview mit Mohammed Adam Nashiru

 

Wie bewerten Sie die bisherigen Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs)?

Es scheint so, als wolle die EU den Entwicklungsländern die EPAs vorschreiben, obwohl afrikanische Verhandlungsführer beim EU-Afrika-Gipfel in Lissabon im Dezember letzten Jahres klar gemacht haben, dass Afrika noch nicht bereit dafür ist. Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen setzen gleiche Bedingungen für die Partner voraus: Bei einem Fußballspiel zwischen England und Deutschland haben beide Mannschaften gleiche Möglichkeiten bezüglich der Trainer, Fans, Fußballplätze und Ausstattung - nur so können sie auf Augenhöhe konkurrieren. Afrika ist aber eher wie ein Kind, das noch von der Mutter abhängig ist. Wir lernen noch zu sitzen, zu krabbeln und zu gehen. Deshalb können wir nicht mit den europäischen Ländern, die uns bereits weit voraus sind, konkurrieren. Kurz gesagt sind die EPAs für uns nicht von Vorteil, weil die derzeitige Konkurrenz von Ungleichheit gekennzeichnet ist.

Konnten die Forderungen der Bauernorganisationen und -vertreter in die EPA-Verhandlungen eingebracht werden?

Die bisherigen Verhandlungen waren für afrikanische Bauern und Produzenten enttäuschend, da wir gehofft hatten, stärker in die Verhandlungen einbezogen zu werden und unsere Meinung zu den EPAs deutlicher machen zu können. Die Verhandlungen haben mit offiziellen Vertretern unserer Länder unter Ausschluss der Bauernorganisationen stattgefunden. Wir hatten zwar die Möglichkeit, unseren Regierungen unsere Standpunkte und generellen Bedenken darzulegen und zu zeigen, dass die EPAs die Bauern gefährden werden. Dennoch hat Ghana ein Interimsabkommen zu den EPAs unterschrieben, in dem das Land sich dazu verpflichtet, den Agrarmarkt in den nächsten Jahren für 80 Prozent der Importe aus Europa zu öffnen. Dadurch drohen nun neue Importfluten, zumal die europäischen Agrarsubventionen durch das Abkommen nicht berührt werden. Sie sind aber der Hauptgrund dafür, dass europäische Agrarprodukte in Afrika überhaupt konkurrenzfähig sind. Bisher ist noch unklar, ob beispielsweise Tomaten und Geflügel zu diesen 80 Prozent gehören oder ob sie als "sensible Produkte" von der Zollsenkung ausgenommen werden dürfen. Aber selbst dann könnten wir den Markt nicht genug schützen, denn eine Klausel des Vertrags verbietet Ghana selbst für diese Produkte, den Zoll über das jetzige Niveau hinaus anzuheben.

Was waren Ihre Hauptforderungen in den EPA-Verhandlungen?

Wir haben verlangt, über die Alternative des Allgemeinen Präferenzsystems (GSP+) nachzudenken, wenn die Verhandlungen kritisch werden. Unter dem GSP+ gewährt die EU Ländern des Südens für gute Regierungsführung und Programme zur nachhaltigen Entwicklung Handelspräferenzen. Diese entsprechen den Vorgaben der Welthandelsorganisation und könnten auch für Ghana gelten. Darüber hinaus haben wir deutlich gemacht, dass mehr Zeit benötigt wird, um sich über die EPAs zu einigen. GSP+ wurde allerdings abgelehnt, und die EU hat stattdessen weiter Druck gemacht, die Abkommen rasch zu unterzeichen.

Was sind die konkreten Einflüsse der EPAs für die Kleinbauern in Ghana?

Für die Wirtschaft besonders wichtige Produkte sind in Ghana Hühnchen und Tomaten: Sie werden überwiegend auf dem lokalen Markt verkauft und sind eine wichtige Einkommensquelle. Durch die EPAs werden wir vermehrt Agrarprodukte aus Europa bekommen. Unsere Bauern werden mit den subventionierten Bauern aus der EU konkurrieren müssen. Dies ist Teil der Konflikte zwischen der EU und Afrika. Die EU-Regierungen werden ihre Bauern dabei unterstützen, weiter billig zu produzieren und ihre Lebensmittel hier abzuladen, aber das werden afrikanische Regierungen nicht akzeptieren. Denn die Billigimporte gefährden das Einkommen und somit die Nahrungsmittelsicherheit unserer Kleinbauern.

Wie können Sie die Öffentlichkeit in Ghana über die EPAs informieren?

Die Peasant Farmers Organisation kollaboriert mit anderen Organisationen wie der SEND Stiftung, Oxfam Großbritannien, der britischen Gewerkschaft sowie der Ghana Trade and Livelihood Coalition. All diese Organisationen haben sich zusammengeschlossen, um das Bewusstsein über die Gefahren der EPAs unter den Bauern zu erhöhen. Das Netzwerk hat rasche Verbreitung gefunden und ist inzwischen überall in Ghana präsent.Unser Ziel ist es, unsere Bildungsarbeit weiter zu verstärken. Da wir an der Kampagne gegen die EPAs teilnehmen, sind wir in regionale Netzwerke eingebunden, vor allem in Westafrika, wozu u.a. Senegal, Burkina-Faso, Togo, Ghana, Côte d'Ivoire und Mali gehören. Die Ökonomien der Länder in dieser Region sind überwiegend landwirtschaftlich geprägt und schwach. Uns eint die Opposition gegen die EPAs. Wir haben sehr viele Plattformen genutzt, um unsere Bedenken den Politikern in der EU deutlich zu machen. So haben wir mit dem britischen Parlament gesprochen und uns mit EU-Repräsentanten in Ghana und in Sambia getroffen.

Können Sie ein zusammenfassendes Statement zu den EPAs abgeben?

Wir unterstützen und schützen Bauern in Afrika, um ihnen die Möglichkeit zu geben, stärker zu werden und mit den europäischen Bauern zu konkurrieren. Dies ist wichtig, damit wir keine Angst haben müssen, wenn die Konkurrenz zunimmt. Allerdings sind wir derzeit noch nicht in der Lage, mit den Bauern aus der EU mitzuhalten. Deshalb sollte die EU den Bauern hier dabei helfen, so stark zu werden, dass sie den Konkurrenzkampf aufnehmen können.

Interview: Lisa Rohrdantz

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