Klimagipfel in Posen: Signal zum Aufbruch mitten in der Finanzkrise?

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Klimagipfel in Posen: Signal zum Aufbruch mitten in der Finanzkrise?

 

Fast jede in den letzten Monaten neu vorgelegte klimawissenschaftliche Studie zeigt: Die Welt steht in Energie- und Klimafragen am Scheideweg, der in eine hochgefährliche oder in eine klima- und energiesichere Zukunft führen kann. In dieser Zeit kommen die Klimapolitiker der Welt zum Klimagipfel in Posen zusammen. Alle schauen derzeit auf die EU und den neu gewählten US-Präsidenten Barack Obama. Werden sie nun ernst machen mit der angekündigten Energie- und Klimawende? Die EU will bis zum 12. Dezember, dem letzten Tag des Posengipfels, über ihr Energie- und Klimapaket entscheiden. Der Ausgang der EU-internen Verhandlungen ist offen, es steht sehr viel auf dem Spiel. Der neue US-Präsident trifft derzeit die Personalentscheidungen und stellt damit auch klimapolitische Weichen für seine Amtszeit.

Poster von Olaf Lutz
Poster von Olaf Lutz, das im Rahmen des Germanwatch-Posterwettbewerbs entstand.
Kontakt: www.olaflutz.de | olaflutz-nfs@web.de
 

Die Finanz- und in ihrem Gefolge die Wirtschaftskrise machen zügige und grundlegende Entscheidungen unausweichlich: Wollen die USA, die EU und China hunderte Milliarden Euros in ein "weiter so" pumpen oder aber in die für eine Energiewende notwendige Infrastruktur investieren? Setzt sich nun der Reflex durch: Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun, jetzt macht mal halblang mit dem Klimaschutz! Oder siegt die Erkenntnis, die Nicholas Stern, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und Autor des viel diskutierten Stern-Reports, formuliert hat: "Die gegenwärtige ökonomische Krise sollte uns zwei Dinge lehren. Umso mehr sich Handeln gegenüber zentralen Krisen verzögert, umso größer werden die Konsequenzen sein. Und: Die Welt wird dauerhafte Treiber für Wachstum brauchen, die uns aus der Rezession führen." Investitionen in ein Stromnetz, das für die Klimawende geeignet ist, sowie in den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, effizienter Häuser und Verkehrssysteme könnten solche Treiber sein, die eine dreifache Dividende abwerfen. Erstens bringen sie den stotternden Wirtschaftsmotor wieder in Gang. Zweitens bleibt in der Folge mehr Geld im Land, anstatt für Öl, Gas, Kohle- und Uranimporte ausgegeben zu werden. Drittens werden dadurch die Risiken für das globale Klima verringert.

Die "Green Economy Initiative" des UN-Umweltprogramms UNEP wird zeitgleich mit dem Start des Klimagipfels in Posen vorgestellt. Sie will vorrechnen, dass Investitionen in das Energie- und Verkehrssystem, in Umweltschutz, aber auch in eine Landwirtschaft in der Ernährungskrise zur schnellen wirtschaftlichen Erholung beitragen können, mit positiven Beiträgen zu zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und zur Armutsbekämpfung. Das deutsche Konjunkturprogramm ist in dieser Hinsicht leider kümmerlich. Die Entscheidung, in welche Richtung die großen Konjunkturpakete der kommenden Monate die Wirtschaft steuern und ob bei der globalen Rahmensetzung für Finanzmärkte und Wirtschaft Klimaaspekte eine maßgebliche Rolle spielen oder nicht, wird auch die Dynamik der UN-Klimaverhandlungen stark beeinflussen. Entweder verpassen wir viele Chancen für eine ernsthafte Klimawende - oder aber eine große, sich selbst beschleunigende Klimaschutzdynamik entsteht viel früher, als auch Optimisten gehofft haben.

Die Weichenstellungen beim Klimagipfel in Posen

Der Klimagipfel in Posen vom 1. bis 12. Dezember ist der wichtigste Zwischenschritt auf dem Weg zu einem weltweiten Klimaabkommen, das im Jahr 2009 in Kopenhagen verabschiedet werden soll. Er stellt zentrale Weichen für die Ergebnisse, die es ein Jahr später geben soll. Noch vor Posen erhalten die Verhandler einen "Synthesetext". Dieser stellt die wichtigsten Vorschläge, die die Staaten dieser Welt in den Verhandlungen seit der Konferenz in Bali im letzten Dezember vorgelegt haben, zusammen. Ziel ist es, bereits durch die Zusammenstellung Dynamik zu erzeugen. Alle Ländergruppen müssen gefordert werden, deutlich mehr als bisher zu tun; zugleich müssen sie erkennen, dass sie insgesamt trotzdem von dem Paket profitieren würden. Die Reduktionsziele für die Industrieländer werden die Bereitschaft der Schwellenländer zum Handeln maßgeblich bestimmen - und umgekehrt. Die große Gruppe der Least Developed Countries wird ernsthaften Klimaschutz in Industrie- und Schwellenländern unterstützen, aber sie, die so gut wie keine Treibhausgase ausgestoßen haben, erwarten viel Unterstützung bei den Anpassungsbemühungen. Ohne den notwendigen Klimaschutz werden ihre Anpassungsversuche allerdings weitestgehend zum Scheitern verurteilt sein, mit Konsequenzen für viele Millionen Menschen.

Die Schwellenländer werden das Ausmaß ihrer Klimaschutzaktivitäten davon abhängig machen, ob ihre Industrie Zugang zu den notwendigen Technologien bekommen wird. Die Industrieländer sind hingegen nur zu großem Engagement bereit, wenn ihre Wirtschaft vom neuen Boom für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz auch profitiert. All dies zeigt: Der Synthesetext ist die wichtigste Grundlage für ein neues Abkommen, das dann in den kommenden zwölf Monaten verhandelt werden wird.

Es ist zu hoffen, dass einige Meilensteine auf dem Weg nach Kopenhagen schon in Posen beschlossen werden. Ein Schritt in Richtung Vertrauensbildung kann gemacht werden, wenn der Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls ab Posen tatsächlich Anpassungsprojekte finanzieren kann. Der Fonds ist in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Präzedenzfall. Er wird von der ersten internationalen Umweltabgabe überhaupt - einer Abgabe auf den projektbasierten Emissionshandel - gespeist. Im zentralen Entscheidungsgremium haben, anders als bei der Weltbank und vielen anderen Fonds, die Entwicklungsländer die Mehrheit. Dieses Gremium hat sich jüngst auf die strategischen Prioritäten des Fonds geeinigt, die jetzt noch formal auf dem Klimagipfel bestätigt werden müssen.

Außerdem sollten die Regierungen ein Schnell-Start-Programm beschließen. So sollten sie ein ambitioniertes Programm für die Implementierung von Klimaschutz und -anpassung schon im kommenden Jahr auf den Weg bringen. Dadurch könnte die Lücke bis 2013, wenn das neue große Abkommen in Kraft treten soll, geschlossen werden. Darüber hinaus sollten sich die Regierungen auf die Prinzipien des Waldschutzes einigen. Woher das Geld dafür kommen soll und wie viel es sein wird, wird erst in Kopenhagen beschlossen. Zentral bei dieser Frage wird dann sein, ob der Waldschutz in den Emissionshandel integriert wird - und damit weniger Klimaschutz in Energiewirtschaft und Industrie betrieben wird - oder ob er ein zusätzliches Klimaschutzinstrument sein wird.

Posen kann das Aufbruchsignal setzen, das die Welt jetzt braucht: eine Energie- und Klimastrategie, die, sich selbst beschleunigend, aus der Finanz- und Wirtschaftkrise in eine klimaverträgliche Weltwirtschaft führt und nicht in die noch größere Krise eines sich selbst beschleunigenden Klimawandels.

Christoph Bals und Sven Harmeling

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