"Wir brauchen eine globale Recyclingwirtschaft"
"Wir brauchen eine globale Recyclingwirtschaft"
Christian Hagelüken
Leiter Geschäftsentwicklung
Umicore Precious Metals Refining
Umicore ist die weltweit größte Recyclingfirma zur Gewinnung von Edelmetallen aus komplexen Materialien. Die Geschichte von Umicore begann vor 200 Jahren als Bergbauunternehmen. Weshalb hat Umicore hier strategisch umdisponiert?
Wichtig war eine langfristig nachhaltige Unternehmensausrichtung mit einer stärkeren Orientierung auf Material- und Umwelttechnologie und damit einer Diversifizierung und größeren Unabhängigkeit von den Rohstoffmärkten. Die strategische Neuausrichtung des Unternehmens hat maßgeblich zum guten wirtschaftlichen Erfolg von Umicore in den letzten Jahren beigetragen, der nicht zuletzt auch der Umwelt nützt. Eine Grundphilosophie des Unternehmens ist, für die entwickelten Produkte effiziente Recyclingtechnologien anbieten zu können. Eine aktuell zusätzliche Motivation liegt darin, dass moderne Recyclingverfahren auch entscheidend zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen, weil der Energiebedarf viel geringer ist als bei der Bergbauproduktion.
Welche Produkte recyceln Sie hauptsächlich bei Umicore?
Umicore recycelt einerseits edelmetallhaltige Reststoffe aus der Hüttenindustrie, andererseits industrielle Produkte sowie Autokatalysatoren, Handys, Leiterplatten und Lithium-Ionen-Batterien.
Welchen Anteil der Metalle eines Handys oder eines Computers können Sie zurückgewinnen?
Aus Handys und Leiterplatten gewinnen wir heute stofflich alle Edelmetalle, die Basismetalle Kupfer, Blei, Nickel und Zinn sowie eine Reihe von Sondermetallen wie Indium und Antimon zurück, zusätzlich noch Kobalt aus den Akkus. Bei den meisten verarbeiteten Komponenten werden dadurch über 90 Prozent des Metallanteils zurückgewonnen, bei Gold und anderen Edelmetallen sogar 95 Prozent und mehr. Die Qualität der bei uns recycelten Metalle ist dabei identisch mit der Qualität von Primärmaterial.
Umicore hat Jonathan Porrit mit der Aussage zitiert, dass nichts nachhaltig ist, was nicht unbegrenzt weitergehen kann. Was heißt das konkret für die Recyclingquote?
Einerseits muss durch Verbesserungen beim Design die Demontage- und Recyclingfähigkeit von Geräten weiter gesteigert werden. Darüber hinaus müssen die Recyclingketten weiter optimiert und an neue Materialzusammensetzungen angepasst werden. Die absolut größte Priorität hat aber, mehr Altgeräte in moderne Recyclingketten einzusteuern, da gibt es noch ein enormes Potential. Bei Handys z.B. liegt diese Rücklaufquote derzeit leider unter fünf Prozent, davon geht der größte Teil in die Wiederverwendung außerhalb von Europa (z.B. Afrika). Ein echtes stoffliches Recycling am Ende der Lebensdauer findet nur für rund ein Prozent der Handys statt.
Welche Probleme sehen sie, wenn gebrauchte Elektronikgüter in Entwicklungsländern wie Ghana illegal als Schrott landen?
Neben den katastrophalen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen in den Hinterhof-Betrieben in Asien und Afrika halten wir als Recyclingfirma auch den Ressourcenverlust für höchst problematisch. Zum Beispiel liegt die Goldausbeute dort nur bei ca. 25 Prozent, für Palladium noch deutlich darunter, Sondermetalle gehen komplett verloren.
Welche Schritte seitens der Elektronikindustrie und seitens der Politik sind erforderlich, damit der Recyclinganteil erhöht wird?
Wichtig ist zunächst ein besserer Vollzug der bestehenden Gesetzgebung, z.B. durch mehr Monitoring entlang der gesamten Recyclingkette einschließlich einer besseren Kontrolle an den Häfen, auch wenn das Geld kostet. Finanzielle Anreize für die Rückgabe von Geräten können zudem ein hilfreiches Signal sein, bei anderen Geräten mit geringem Materialwert wie Bierkästen funktioniert das ja auch.
Langfristig brauchen wir eine globale Recyclingwirtschaft. Das beinhaltet u.a. die Rückführung von Handys und Computern, die zur Zweitnutzung in Entwicklungsländer exportiert wurden. Eine Sammlung und Zerlegung ist vor Ort sinnvoll, aber das Recycling sollte in einer High-Tech-Anlage wie in Antwerpen erfolgen. Aktuell sind wir jedoch in Deutschland, aber erst recht weltweit noch weit davon entfernt, die berühmte Kreislaufwirtschaft zu haben.
Interview: Cornelia Heydenreich