Doha wird ein Meilenstein

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Doha wird ein Meilenstein

Interview mit Pa Ousman Jarju, dem Vorsitzenden der Gruppe der "Least Developed Countries" (LDC)
Pa Ousman Jarju

 

Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) gelten als besonders verwundbar gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. Wie nehmen die Menschen in den LDCs selbst den Klimawandel wahr?

Für uns sind die Auswirkungen des Klimawandels in unserem Alltag deutlich spürbar. Viele Menschen in der Sahelzone sind von Dürren und Überflutungen betroffen. In manchen Regionen folgen oft auf Dürren im einen Jahr Überflutungen im nächsten Jahr. Länder wie Bangladesch oder kleine Inselstaaten bekommen die Auswirkungen durch den Meeresspiegelanstieg zu spüren. In Gambia erleben wir den Eintrag von Salzwasser, was sich sowohl auf die Bodenqualität der Reisfelder als auch auf Frischwasser-Reserven auswirkt. 70 Prozent der Hauptstadt Banjul liegen unter dem Meeresspiegel. Laut Vorhersagen würde die gesamte Hauptstadt, die gleichzeitig das ökonomische Zentrum des Landes bildet, bei einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter überflutet. Wir haben 60 Prozent unserer Strände aufgrund von Küstenerosion verloren.

Was sind die zentralen Erwartungen der LDCs an den Klimagipfel? Wird Doha ein Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel oder eine verpasste Gelegenheit?

Ich denke, Doha wird ein Meilenstein. Wir müssen sicherstellen, dass wir das auf Regeln basierende System fortsetzen, indem wir eine zweite, ratifizierbare Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls verabschieden. Wichtig sind Fortschritte bei der gemeinsamen Vision der Länder durch eine Einigung auf ein so genanntes „Peak Year“, basierend auf dem Stand der Wissenschaft, ab dem die Emissionen global nicht mehr steigen, sondern sinken sollen. Dazu muss auch ein Arbeitsplan beschlossen werden, den Klimaschutz vor 2020 deutlich zu erhöhen.

Darüber hinaus ist der Fahrplan für die Verhandlungen zu einem neuen Abkommen bis 2015 mit klaren Meilensteinen zu füllen. Zudem ist es wichtig, den Überprüfungs-Prozess der Fortschritte auch in Bezug auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C zu starten. Ohne dass die angemessene Klimafinanzierung nach 2012 sichergestellt ist, kann Doha nicht als Erfolg bezeichnet werden. In Bezug auf Klimaanpassung würden wir gerne sehen, dass der Prozess für Nationale Anpassungspläne in Bewegung gesetzt wird, um unseren Ländern zu helfen, langfristig den Klimawandel zu bewältigen. Dafür müssen auch Finanzmittel bereit gestellt werden.

Was erwarten Sie von der Diskussion über Schäden des Klimawandels?

„Loss and damage“, also nicht vermeidbare Klimaschäden, betreffen die LDCs zunehmend. Dieses Jahr war sehr entscheidend. Das Arbeitsprogramm unter der UN-Klimakonvention führte durch seine regionalen Expertentreffen in Entwicklungsländern zur Verständigung darüber, was Länder bereits an Schäden erfahren und wie sie versuchen zu handeln. Wir müssen ein übergeordnetes Gremium einrichten, das die Koordination von Arbeiten zu
„Loss and Damage“ durchführt. In Doha sollten wir uns auf Elemente einigen, die uns beim Vorankommen leiten könnten.

Im letzten Jahr in Durban trug die gemeinsame Positionierung der LDCs und der kleinen Inselstaaten (AOSIS) mit der EU entscheidend zum Durchbruch bei. Kann eine solche Koalition neue Dynamik bringen?

Die Zusammenarbeit mit der EU, AOSIS und Afrika in Durban war sehr fruchtbar. Wir wollten ähnliche Themen vorantreiben, zum Wohle unseres Planeten und unserer Länder. Wir alle wollen ein ambitioniertes Regime für das Kyoto-Protokoll und die Zukunft. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass die EU ihr 2020-Ziel von 20 Prozent CO2-Reduktion bereits erreicht hat. Die EU sollte sich deshalb 30 Prozent zum Ziel setzen, denn eine zweite Verpflichtungsperiode unter Kyoto mit 20 Prozent ist nicht viel. Wir als LDCs haben konkrete Modalitäten vorgeschlagen, wie die EU von 20 auf 30 Prozent kommen könnte.

Wie kann Deutschland die LDCs in ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen?

Der Erfolg der deutschen Energiewende ist sehr wichtig. Wir haben Respekt vor der Initiative, aus der Atomenergie auszusteigen und die erneuerbaren Energien stark auszubauen. Dies sollte auch zum Aufbau von Kapazitäten in anderen Ländern in Richtung einer CO2-armen Gesellschaft beitragen. Die deutsche Öffentlichkeit sollte außerdem die fortwährende Unterstützung von LDCs durch die deutsche Regierung würdigen. Anfang November war ich in Berlin und hatte ein Treffen mit deutschen Parlamentariern. Wir würden diese Zusammenarbeit mit dem deutschen Umweltausschuss und der deutschen Zivilgesellschaft gerne fortsetzen.

Interview: Sven Harmeling
Übersetzung: Claudia Kaiser