Bei der EU-Agrarreform geht mehr

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Bei der EU-Agrarreform geht mehr

Deutsche Regierung blockiert die guten Ansätze und bedient Agrarlobby
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Schwein gehabt – von solchen Lebensbedingungen können Mastschweine in der Regel nur träumen. Foto: Rupenkamp, Fotolia.com

Noch nie wurde in der Öffentlichkeit so viel über Landwirtschaft diskutiert wie heute. Im Fernsehen sind immer mehr Bilder von Schweinen oder Hühnern in zu engen Ställen zu sehen. Antibiotika-Einsatz, Gentechnik und Landraub werden thematisiert. Das löst eine gesellschaftliche Debatte über Lebensmittel und alles, was dazu gehört, aus und bringt die Agrarindustrie zumindest in Erklärungsnot.

In der anstehenden Agrarreform versucht die EU zu reagieren. Bevor der EU- Landwirtschaftskommissar Dacian Cioloş im Oktober 2011 einen Entwurf für ein neues europäisches Agrargesetz vorlegte, führte er eine europaweite, für alle BürgerInnen offene Konsultation durch. Die Ergebnisse flossen in seinen Vorschlag ein. Die größten Änderungen soll es bei den Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe geben, die knapp die Hälfte des europäischen Agrarhaushaltes ausmachen. Bislang erhalten alle Betriebe einen einheitlichen Betrag pro Hektar, wovon große durchrationalisierte Betriebe besonders profitieren. Besondere ökologische Leistungen sind dafür kaum zu erbringen.

Das soll sich nach den Plänen der EU ändern. Wenn Betriebe Direktzahlungen weiterhin in voller Höhe bekommen wollen, dann müssen sie ökologische und soziale Mindestkriterien einhalten. Das bedeutet nach dem Vorschlag der EU-Kommission Anbau unterschiedlicher Ackerfrüchte, Erhalt von Dauergrünland und ökologische Vorrangflächen. Erfüllt der Betrieb dies nicht, werden 30 Prozent der Direktzahlungen gekürzt. Die restlichen 70 Prozent sollen für Großbetriebe an Arbeitskräfte gebunden werden. Beschäftigt ein Betrieb zu wenige Menschen, dann wird auch hier gekürzt.

Die Richtlinien sind zwar noch viel zu schwach um die nötige ökologische und soziale Wirkung zu erzielen. Außerdem legt die EU-Kommission immer noch Wert auf die Weltmarktorientierung, bei der Direktzahlungen helfen, billiger zu exportieren. Aber die Richtung ist dennoch neu und richtig, daher zu unterstützen und zu verbessern.

Nicht nur die deutsche Politik will diese kleinen Reformpflänzchen dennoch auszupfen und sträubt sich gegen nahezu jegliche Änderung. Die zyprische EU-Ratspräsidentschaft schlug gerade vor, einen Teil der Direktzahlungen zu kürzen, der an ökologische Kriterien gebunden werden soll. Dadurch hätten Betriebe weniger Anreize, die höheren Auflagen zu erfüllen.

Bedingungslose Direktzahlungen dienen vor allem den Interessen der Agrarindustrie. Etwa denen der Fleischexporteure. Die Ausfuhr von Schweinefleisch aus Deutschland stieg in den letzten zehn Jahren um 245 Prozent(!). Diese Fleischexporte drängen auch zunehmend in Entwicklungsländer und können dort nachweislich die Märkte stören. Für die zunehmende Fleischproduktion wird immer mehr Soja als Eiweißfuttermittel vor allem aus Südamerika importiert; dort wiederum werden deshalb Kleinbäuerinnen und -bauern von ihren Ländereien verdrängt.

Die großen deutschen Schlachtunternehmen fürchten nun, dass die Kopplung der Agrarzahlungen an ökologische und soziale Kriterien ihre Wettbewerbsfähigkeit verringert. Die Strategie der billigen Massenproduktion für den Weltmarkt würde damit gefährdet.

Die Lobby der Agrarindustrie konnte die deutsche Politik bislang erfolgreich beeinflussen. Für die Zivilgesellschaft gilt es daher, weiter öffentlichen Gegendruck aufzubauen. Dass mit dem EU-Parlament zum ersten Mal ein neuer Akteur mit über die Reform entscheidet, bietet dafür Chancen.

Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)

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