Wir können auch anders
Wir können auch anders
Vom Händler zum Künstler – Muharrem Batman und seine Schwester Ayse inmitten ihrer Kunstwerke. Foto:Manuela Blechschmidt
Wir lieben unser Handy. Dennoch mustern wir es nach etwa 18 Monaten aus und kaufen uns ein neues Modell. Unsere emotionale Bindung lässt mit dem Verschleiß nach – jeder Kratzer mehr kratzt am glänzenden Image des Hightech-Produktes.
Aber auch wenn wir das Handy nicht mehr benutzen, geben wir es nicht her. Es landet in der Schublade, schließlich könnte man es noch mal gebrauchen. Fast die Hälfte der Deutschen hat ein ungenutztes Mobiltelefon zu Hause liegen. Mindestens. 72 Millionen Alt-Handys horten wir in Deutschland – und es werden täglich mehr!
In unseren Schubladen verstauben so nicht nur wertvolle Rohstoffe, sondern auch bares Geld.
Weiternutzen statt recyclen
Die Aussicht, für ein zwei Jahre altes Smartphone noch 200 Euro zu bekommen, ist durchaus attraktiv. Verschiedene Online-Plattformen sind inzwischen angetreten, uns Hamstern ihre Handys aus den Schubladen zu locken. Zum Beispiel das Portal „WIRKAUFENS“ macht das Inwertsetzen der Gebrauchtware einfach: Mit ein paar Klicks bewertet der Kunde sein Handy, bekommt einen Preis geboten, schickt es kostenfrei ein und hat eine Woche später sein Geld auf dem Konto. Das Unternehmen zahlt durchschnittlich 80 Euro für ein gebrauchtes Handy – je nach Modell und Zustand variieren die Preise jedoch stark. Die meisten Geräte werden wiederaufbereitet und über Portale wie Ebay und Amazon vor allem in Deutschland, Polen und anderen EU-Ländern verkauft. Nur etwa fünf Prozent der eingeschickten Handys müssen recycelt werden.
Monatlich kauft die Firma inzwischen 2.100 Handys, aber auch andere Geräte wie MP3-Player oder Digitalkameras. Der Ankauf ist der Flaschenhals: Sie könnten viel mehr verkaufen als herein kommt. „Beim Autokauf verkaufen wir unser altes Auto und refinanzieren so die Neuinvestition. Das sollte bei Handys auch üblich werden“, wünscht sich Kamil Fijalkowski, Pressesprecher von WIRKAUFENS. Autos horten wir ja auch nicht.
„Für mich ist das Schmuck!“
Eine ganz besonders emotionale Bindung zu Elektroschrott hat Muharrem Batman. In seinem Geschäft in Berlin-Neukölln repariert und verkauft er vor allem gebrauchte Computer und Unterhaltungselektronik. „Ich möchte, dass die Geräte weiterleben“, sagt Batman.
Zu seinen Kunden gehören viele ältere Menschen, die sich in den glitzernden Einkaufstempeln schlecht beraten fühlen. „Sie kommen oft mit etwas ganz anderem nach Hause, als sie eigentlich wollten“, ärgert er sich. „Wir denken an die Kunden. Sie bekommen das, was sie brauchen.“ Zum Internet-Surfen muss das eben nicht immer das allerneuste Computermodell sein. Ehrlich sein – das ist seine Geschäftsstrategie.
Doch das wirklich Außergewöhnliche an Batmans Laden ist die Elektroschrottkunst. „Für mich ist das Schmuck! Teilweise sogar vergoldet – alles, was wie Gold glänzt, ist auch Gold!“, beschreibt Batman seine Faszination für die ungewöhnlichen Materialien. Er wirft kaum etwas weg – viel zu wertvoll. Früher musste er für die Entsorgung seiner Schrottreste bezahlen. Heute bekommt er sogar Geld dafür.
Muharrem Batman bastelte schon immer mit Elektronikbauteilen und konnte dann vor acht Jahren seine Schwester Ayse davon überzeugen, seine Ideen umzusetzen. Zunächst wollten sie nur ein paar Schaufensterpuppen gestalten. Aber immer mehr Kunden sprachen die beiden auf ihre Kunstobjekte an. Schließlich ließen sie sich überreden, 2010 beim Kunstfestival „48-Stunden Neukölln“ mitzumachen. Ein unerwarteter Erfolg: 700 Besucher kamen und waren begeistert von der Elektroschrottkunst. Trotz vieler Interessenten verkaufen sie ihre Kunst nicht. Noch nicht. „Erst machen wir noch ein paar Ausstellungen und werden bekannter, dann sehen wir weiter“, meint Schrottliebhaber Batman.
Ob Kunst oder Handel – beides ist besser, als Handys in der Schublade zu horten.
Daniela Baum