Rohstoffnutzung 2.0
Rohstoffnutzung 2.0
In Bisiye befindet sich die größte Rohstoffmine des Ost-Kongos. Sie hat eine besonders blutige Geschichte. Foto: Mark Craemer
Seltene Rohstoffe, deren Namen vor Kurzem kaum jemand kannte, sind jetzt in aller Munde: Niob für Hauptplatinen von Computern, Indium für den Touchscreen vom iPad, Gallium für Sonnenkollektoren.
Zukunftstechnologien wie die Informationstechnologien (IT) und die Solarbranche sind auf diese wertvollen Rohstoffe angewiesen, aber auch traditionelle Industrien wie die Automobilhersteller verarbeiten solche Metalle in ihren Hightech-Autos. Lange Zeit schien bis auf Öl alles reichlich vorhanden zu sein. In den letzten Jahren wurde jedoch deutlich, wie bald auch andere Rohstoffe zur Neige gehen können. Wissenschaftler der amerikanischen Universität Yale schätzen, dass zum Beispiel die weltweiten Indium-Vorkommen bereits 2020 erschöpft sein könnten.
Andere Rohstoffe sind länger verfügbar, kommen aber nur in wenigen Ländern vor. Beispielsweise die sogenannten Seltenen Erden, eine Gruppe von 17 Elementen, die für die IT-Branche essentiell sind. China verfügt über etwa ein Drittel der weltweiten Vorkommen und fördert derzeit 97 Prozent des Weltmarktbedarfs. Als Peking im letzten Jahr die Ausfuhrquote um 72 Prozent verringerte, führte dies in Europa, Japan und den USA zu großer Unruhe.
Der Konflikt spitzt sich zu: Freihandelsbefürworter erwägen eine Klage gegen China vor der Welthandelsorganisation WTO. China solle seine Exporthemmnisse und Förderbegrenzungen zurückfahren. China selber baut derzeit weltweit strategisch den Zugang zu Rohstoffen aus, kauft sich massiv in Entwicklungsländern ein.
Hinter verschlossenen Türen läuft die Debatte zwischen Regierungsvertretern und der Wirtschaft schon geraume Zeit. Im Oktober 2010 veröffentlichte die deutsche Regierung ihre Rohstoffstrategie. Wichtigstes Ziel: Die Sicherstellung des Rohstoffzugangs für die deutsche Industrie. Wichtigste Maßnahme: Den Freihandel im Rohstoffsektor stärken. Aber man will sich auch ein Beispiel an China nehmen und Partnerschaften mit rohstoffexportierenden Ländern vereinbaren. Konkret sind vor allem die Mongolei und Kasachstan im Blick.
Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen beim Rohstoffabbau, das konfliktfördernde Potenzial des Rohstoffabbaus in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo (siehe Artikel "Den Minenarbeitern eine Stimme geben") und die enormen Umweltauswirkungen stehen leider nicht im Fokus. Kein Wunder, entstand die Rohstoffstrategie doch unter Federführung des Wirtschaftsministeriums und im engen Dialog mit der Industrie. Nichtregierungsorganisationen waren dagegen nicht beteiligt (siehe unten).
Auch auf europäischer Ebene steht die Rohstoffsicherung für europäische Unternehmen im Zentrum. Die EU-Kommission hat dazu im Februar 2011 eine Aktualisierung ihrer „Raw Materials Initiative“ aus dem Jahr 2008 vorgelegt.
Von der EU gibt es jedoch auch begrüßenswerte Regelungsvorschläge: So plädiert die EU-Kommission für eine Steuer auf den Verbrauch von Rohstoffen wie Holz, Wasser und Metallen. Dies weist in die richtige Richtung und könnte eine Signalwirkung für Unternehmen haben, noch sorgsamer mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
Ausbaufähig sind auch die Rücknahme und das Recycling von alten Geräten. Bislang werden nur drei Prozent aller Handys recycelt. Zwar fällt ein einzelnes Handy kaum ins Gewicht, aber in den vergangenen Jahren wurden jährlich weltweit über eine Milliarde Handys verkauft: Darin stecken allein etwa 20 Tonnen Gold! Eine wahre Goldgrube also, die viel zu häufig noch in der Schublade schlummert. Dabei ist die Konzentration von wertvollen Rohstoffen im Elektroschrott häufig höher als in den Metallminen. Auf Recycling sollte deshalb im Rahmen der Rohstoffstrategie ein größeres Gewicht gelegt werden.
Von den etwa 30 Metallen, die in Handys oder Laptops verarbeitet sind, lassen sich jedoch nicht alle gleich gut auslösen. Bei Gold liegt die Ausbeute über 95 Prozent. Bei anderen Metallen wie den berühmten Seltenen Erden besteht noch großer Forschungsbedarf, wie eine im Februar vom Ökoinstitut Freiburg für die Grünen- Fraktion des Europaparlamentes erstellte Studie zeigt. Ein wichtiger politischer Schritt wäre somit, Forschungs- und Implementierungsgelder in diesem Bereich zu erhöhen, statt in die Exploration neuer Rohstoffquellen zu gehen.
Mindestens genauso wichtig ist es, Ressourcen von vorneherein besser zu nutzen. Zum einen durch effizienteren Materialeinsatz bei der Herstellung. Aber auch durch eine längere Nutzung der Geräte lassen sich Rohstoffe einsparen. In den letzten Jahren sind Unternehmen entstanden, die diese Marktnischen als Geschäftschance nutzen (siehe Artikel "Wir können auch anders"). Das Potenzial ist jedoch noch lange nicht ausgeschöpft.
Die Politik könnte auch eine längere Nutzung von Geräten fördern. Wenn Hersteller verpflichtet würden, länger haltbare und aufrüstbare Geräte zu produzieren, dann müssten nicht so oft neue gekauft werden. Zum Beispiel könnte die gesetzliche Garantie für Hightech-Geräte auf drei Jahre erhöht werden. Dann müssten Hersteller dafür sorgen, dass die Geräte wirklich länger halten (sonst wird es teuer für sie) und auch entsprechend Ersatzteile vorrätig halten.
Der heißen Rohstoffdebatte würde eine internationale Rahmensetzung gut tun, ähnlich der Klimarahmenkonvention. Bis hier ein wirksames Instrument geschaffen ist, sollten zumindest bestehende Ansätze genutzt werden. Der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte und Unternehmen, John Ruggie, führt es in seinem Rahmenwerk aus: Staaten haben eine Schutzpflicht, für die Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen zu sorgen – also auch bei Rohstoffunternehmen. Mit dem europäischen Netzwerk European Coalition for Corporate Justice fordern wir deshalb im Rahmen der Kampagne „Rechte für Menschen – Regeln für Unternehmen“, dass Unternehmen mögliche menschenrechtliche Risiken untersuchen und gegebenenfalls Maßnahmen zu deren Vermeidung ergreifen sollten. Falls sie dies unterlassen, sollten sie bei Menschenrechtsverletzungen haften. Auch bei Rohstoffpartnerschaften müssten solche Menschenrechtsbezüge festgeschrieben werden. Damit der Rohstoffabbau letztlich nicht Menschenrechte und Armutsbekämpfung konterkariert.
Cornelia Heydenreich
Rohstoffsicherung versus Armutsbekämpfung
Nichtregierungsorganisationen (NRO), darunter Germanwatch, reagierten auf die Veröffentlichung der deutschen Rohstoffstrategie mit einer gemeinsamen Stellungnahme. Sie entwickelten Anforderungen an eine Rohstoffstrategie, die soziale, ökologische, menschenrechtliche und friedenspolitische Aspekte integriert. Rohstoffförderung soll in Zukunft zu größerem Wohlstand der Menschen in den rohstoffreichen Entwicklungsländern beitragen und nicht wie bisher zu Menschenrechtsverletzungen, Gewaltkonflikten, Umweltzerstörung und Verarmung.
Um dieses Ziel zu verwirklichen, sehen die NROs auf verschiedenen Ebenen Handlungsbedarf: Hinsichtlich eines notwendigen ökologischen Umsteuerns ebenso wie in der internationalen Handels- und Investitionspolitik, der Rohstoff-Governance, dem Schutz der Menschenrechte und Beteiligungsrechte sowie den friedens- und sicherheitspolitischen Aspekten der Rohstoffförderung. In der Stellungnahme werden die jeweiligen Problemlagen kurz analysiert und konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet sowie Anforderungen an eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie aufgestellt. Das Zusammenspiel von Regierungen, Unternehmen, internationalen Finanzinstitutionen, zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie kritischen VerbraucherInnen in Nord und Süd wird als essentiell angesehen, um die erforderlichen komplexen Lösungsstrategien zu entwickeln.
Nicht zuletzt fordern die NROs eine transparente und öffentliche Debatte über die Rohstoffstrategie der Bundesregierung.
Johanna Kusch