Menschen angesichts von Wetterkatastrophen nicht allein lassen

Weitblick Artikel

Menschen angesichts von Wetterkatastrophen nicht allein lassen

Lösungsansätze zum Umgang mit Schäden und Verlusten im Globalen Süden
Eine Frau trägt Vorräte über eine überflutete Straße in Cap Haïtien.

Eine Frau trägt Vorräte über eine überflutete Straße in Cap Haïtien.

Foto: UN Photo/Logan Abassi

„Der Klimawandel hat bereits Auswirkungen auf alle bewohnten Regionen der Welt“, stellt das zentrale Gremium der Klimawissenschaft, der Weltklimarat (IPCC), in seinem jüngsten Bericht fest. Das Jahr 2021 hat uns von Madagaskar bis Indien, von Deutschland bis Nordamerika, von Grönland bis Griechenland vor Augen geführt, was das heißt. Das Risiko von Flutkatastrophen wie im Ahrtal hat sich in Mitteleuropa durch die Klimakrise bereits um das bis zu Neunfache erhöht. Alleine für die Schäden und Verluste durch das Hochwasser in Deutschland mussten bislang 30 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln aufgebracht werden. Eine Summe, die viele Länder nicht mobilisieren können. Weltweit ist der arme Teil der Bevölkerung am stärksten von der Klimakrise betroffen. Ganz besonders gilt dies in Ländern des Globalen Südens. Einerseits sind diese geografisch besonders exponiert und andererseits sind viele Menschen dort aufgrund von Armut, Benachteiligung oder schlechter Regierungsführung besonders verletzlich. Immer häufigere und intensivere Extremwetterereignisse bringen Menschen und Regierungen oft an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit.

Die direkten Herausforderungen, etwa durch Dürren und Ernteausfälle oder Überflutungen und die Versalzung von Böden, sind das eine. Zunehmend wird die Klimakrise aber auch zum Risikomultiplikator: In der Region um den Tschadsee wird – u. a. wegen des Klimawandels – der Zugang zu Süßwasser, Weideland und Fischbeständen knapp, was Konflikte darum befördert. So gelangt die Klimakrise inzwischen auch immer wieder auf die Agenda des Weltsicherheitsrats.

Für eine wirkungsvolle Strategie der Weltgemeinschaft geht es einerseits darum, die unbewältigbaren Klimawandelfolgen zu verhindern (Klimaschutz) sowie gleichzeitig die unvermeidbaren Folgen der Klimakrise möglichst zu begrenzen und zu bewältigen (Umgang mit Klimawandelfolgen).

Dazu müssen die Ziele des Pariser Klimaabkommens wirkungsvoll und schnellstmöglich umgesetzt werden. Erstens bedarf es transformativen Klimaschutzes, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5°C zu begrenzen. Zweitens lassen sich schon jetzt nicht mehr alle Klimawandelfolgen – weder langsam voranschreitende noch Extremwetterereignisse – verhindern. Menschen und Staaten müssen sich schon heute daran anpassen, um sich bzw. die betroffenen Ökosysteme und Gemeinschaften zu schützen.

Die menschliche Anpassungsfähigkeit hat jedoch technische, finanzielle und physische Grenzen, denn nicht alle Schäden und Verluste lassen sich verhindern – etwa das „Versinken“ ganzer Inseln oder eine für den Menschen unerträgliche Außentemperatur (siehe Kasten auf dieser Seite). Betroffene Länder müssen nicht nur bei Klimaschutz und Anpassung, sondern auch beim Einsatz menschenrechtsbasierter Instrumente zur Bewältigung der Schäden und Verluste unterstützt werden. Hierfür bedarf es einer Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung.

Eine Reihe vielversprechender Instrumente zur Bewältigung der Klimawandelrisiken und -folgen wird momentan in Ländern des Globalen Südens erprobt und umgesetzt. Diese Instrumente, ihre Vorteile und Herausforderungen werden in diesem WEITBLICK von unseren Partnerorganisationen in sechs Ländern vorgestellt. Dazu gehören die vielversprechenden Klimarisikoversicherungen, die allerdings Menschen ohne regelmäßiges Einkommen nur erreichen, wenn die Versicherungsprämie subventioniert wird. Länder wie etwa Malawi oder Einzelpersonen wie Kleinbäuer: innen in Sri Lanka oder kleine und mittelständische Unternehmen auf den Philippinen können sich damit gegenüber dem erhöhten Risiko für Fluten, Dürren und Wirbelstürme absichern. Selbst wenn sie für arme Menschen zugänglich sind, lassen sich Versicherungen aber kaum als Instrument bei langsam voranschreitenden Klimawandelfolgen wie dem Meeresspiegelanstieg einsetzen. Welche Herausforderungen das für die Ärmsten bedeutet und wie soziale Sicherungssysteme im Umgang damit helfen, zeigen wir am Beispiel des Senegals. Alle hier beschriebenen Instrumente zum Umgang mit Klimawandelfolgen funktionieren nur als Teil eines umfassenden Risikomanagementansatzes. Ein solcher wird momentan in Bangladesch als Teil des nationalen Mechanismus für Schäden und Verluste entworfen. Beispielhaft zeigt schließlich der Klima-Risiko-Atlas aus Indien, wie ein besseres Verständnis der Risiken bis hin zur lokalen Ebene dabei helfen kann, über die optimale Zusammensetzung der Instrumente zu entscheiden.

Deutschland kann im nächsten Jahr – während seiner G7-Präsidentschaft und beim Petersberger Klimadialog – die stockende internationale Strategie für Schäden und Verluste deutlich voranbringen. Vor allem nach den gescheiterten Verhandlungen zur Finanzierung von Schäden und Verlusten auf dem Klimagipfel in Glasgow ist es wichtig, hierzu neue Zeichen zu setzen. Dabei gilt es, mögliche Ergebnisse für den Klimagipfel 2022 vorzubereiten und auch konkrete Umsetzungsallianzen und -instrumente auf den Weg zu bringen. Eine Möglichkeit dafür sind Transformationspartnerschaften mit Ländern des Globalen Südens auf Augenhöhe – basierend auf dem Verständnis der Ziele für nachhaltige Entwicklung, nach denen die Weltgemeinschaft als Wissensgemeinschaft und alle Länder als Entwicklungsländer anzusehen sind. So kann auch Deutschland – wie die Flutkatastrophen dieses Jahres gezeigt haben – von Ländern wie Bangladesch beim Umgang mit Flutereignissen viel lernen.

Laura Schäfer, Vera Künzel & Rixa Schwarz

 

Anzahl der Tage pro Jahr mit potenziell tödlicher Hitze

Grenzen der Anpassung

Wie wichtig es ist, die Klimakrise rechtzeitig einzudämmen, verdeutlichen die Grenzen der Anpassung. Diese Grenzen sind einerseits erreicht, wenn die technischen oder finanziellen Kapazitäten betroffener Länder nicht ausreichen, um Maßnahmen zu ergreifen. Dies trifft ärmere Länder wie Bangladesch, die auch aufgrund ihrer geografischen Exposition stärker verwundbar sind, besonders hart.

Die Anpassungsfähigkeit stößt andererseits schlicht an physische Grenzen. Dies zeigt die nebenstehende Grafik: Bereits bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5°C (Bild b) erhöht sich die lokale Temperatur in Teilen Südamerikas und Asiens so stark, dass sich die Menschen an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres nicht mehr im Freien aufhalten können – und mit steigender Durchschnittstemperatur werden immer mehr Regionen der Welt betroffen sein. Technisch lässt sich diese Herausforderung kaum lösen. Aus diesem Grund sind eine ambitionierte Emissionsreduktion und Anpassungspolitik unersetzlich, um Schäden und Verluste zu vermeiden.


(RCP = Representative Concentration Pathways; die RCP-Szenarien zeigen, welche regionale Temperatur bei verschiedenen möglichen Treibhausgasszenarien zu erwarten ist.)

Abbildung: Mora, C., Dousset, B., Caldwell, I. et al. Global risk of deadly heat. Nature Clim Change 7, 501–506 (2017).