Anfang vom Ende?

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Anfang vom Ende?

Die substantielle Schwächung einer eigenständigen Entwicklungspolitik

 

Welche Hoffnungen bei den Nichtregierungsorganisationen! Endlich eine Regierungskoalition, die sich zu einer neuen Vision der gesamten auswärtigen Politik aufzuschwingen schien, die eintreten wollte für die Stärkung der Vereinten Nationen, für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik, für eine Aufwertung der Entwicklungszusammenarbeit.
Doch welch eine Illusion! Die Antwort der Koalition auf die globalen Herausforderungen ist es, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen durch eine Halbierung der Beiträge zu schwächen und die Entwicklungszusammenarbeit um fast 9 % zu kürzen.
Der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), festgelegt im Einzelplan 23, wird gegenüber 1999 um 674 Millionen DM gekürzt, das sind 8,7 %. Weitere Kürzungen sind vorgesehen, der Anteil des BMZ am Bundeshaushalt fällt schon nach der jetzigen Planung von 1,6 % 1999 auf 1,3 % im Jahre 2003. Dies bedeutet einen klaren Bruch der Koalitionsvereinbarungen, bei denen noch von einer Steigerung des Entwicklungshaushaltes die Rede war. Insbesondere sollten gemäß dieser Vereinbarung die langfristigen Verpflichtungen, die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen (VE), erhöht werden, denn deren Volumen bestimmt die langfristige Höhe der Mittel. Statt dessen wird die Höhe dieser Verpflichtungen im kommenden Jahr um über 1 Mrd. DM oder 30 % gekürzt auf lediglich 2,3 Mrd. DM. Auch wenn hier Schlimmeres noch durch Änderungen im parlamentarischen Verfahren verhindert wurde: Die einschneidenden Kürzungen in der langfristigen Planung deuten darauf hin, daß die Bundesregierung gewillt ist oder zumindest in Kauf nimmt, die Entwicklungspolitik als einen eigenständigen Politikbereich zu schwächen. Es besteht die Gefahr, daß die kritische Masse für ein eigenständiges Ministerium nicht mehr gewährleistet ist, wenn nur noch Mittel durchgeleitet und Organisationen lediglich "verwest" werden  und dies ist bei dieser Verpflichtungshöhe der Fall. Zeichnet sich hier überdies schon die Unterordnung der Entwicklungspolitik unter die Außenpolitik durch Integration des BMZ in das Auswärtige Amt an?

Nichts gelernt aus dem Kosovo-Krieg?

Das Auswärtige Amt weist bei allen sich bietenden Gelegenheiten auf deutsche Verhandlungserfolge mit den NATO-Partnern während des Kosovo-Krieges hin, das BMZ schmückt sich mit dem neu initiierten Instrument des Zivilen Friedensdienstes. Auch die Entwicklungszusammenarbeit scheint als Instrument zur Krisenprävention anerkannt zu sein: "Zivile Krisenprävention, Armutsbekämpfung und Verbesserung der ökonomischen und politischen Bedingungen in den Entwicklungsländern sind allemal billiger, als später militärisch eingreifen zu müssen oder durch Bürgerkrieg zerstörte Länder wiederaufzubauen", so Angelika Köster-Loßack, Mitglied der Bündnisgrünen im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Aber gerade deshalb ist es unverständlich, daß das Budget nicht deutlich nach oben korrigiert wurde. Ja, selbst die in Rio von den Industrieländern versprochenen und von den Vereinten Nationen empfohlenen 0,7 % des Bruttosozialprodukts an Entwicklungshilfe müssen erneut diskutiert werden, jedoch nicht mit dem Ziel, sie in Frage zu stellen, sondern dahingehend, ob sie ausreichend sein kön-nen. Die Länder Skandinaviens und die Niederlande haben das richtige Signal gesetzt, indem sie ihren Anteil des BSP für die Entwicklungszusammenarbeit auf über 0,7 % hochschraubten.
Direkte und massive Armutsbekämpfung, der Aufbau lokaler und regionaler Wirtschaften sowie die Verbesserung der Umweltsituation sowie des Erziehungs- und Bildungssystems sind sehr wohl dafür geeignet, bestimmte Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Hierfür müssen aber nicht nur mehr Mittel bereitgestellt werden, sondern es muß auch ein klares Konzept erarbeitet werden  und dies in Zusammenarbeit mit allen relevanten Außen und Außenhandelspolitikbereichen sowie im Austausch mit anderen Geberländern zur Erreichung von Synergieeffekten oder zur Vermeidung von Inkohärenz. Sich zunehmend in die Rolle des Moderators oder gar Katalysators zurückzuziehen, reicht nicht aus. Staatliche Entwicklungshilfe und -politik müssen gleichermaßen ihren Beitrag zu einer globalen Strukturpolitik leisten, ansonsten ist der Auftrag verkannt.
Wenn beides nicht erbracht wird bzw. deutliche Signale in diese Richtung gesetzt werden, steht die Notwendigkeit des BMZ in Frage und dies ist eine falsche Entwicklung!


Rainer Engels / Axel Stelzner
 

 

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