Schutz vor dem Klimawandel

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Schutz vor dem Klimawandel

 

Treibhausgase aus den Auspufftöpfen der Autos, den Schloten der Kohlekraftwerke und den Triebwerken der Flugzeuge steigern mit dem globalen Klimawandel das Risiko von Dürren, Fluten, Stürmen und Hitzewellen. Die wahrnehmbaren Trends bestätigen zunehmend die Vorhersagen der Wissenschaft. Waren in den 70er Jahren „nur“ 700 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen, so waren es in den 90ern schon zwei Milliarden. Besonders verletzlich gegenüber dem globalen Klimawandel sind die Entwicklungsländer. Und dort weniger die in abgeschirmten Stadtvierteln lebenden Eliten als vor allem der ärmere Großteil der Bevölkerung. In erster Linie ist dies die Landbevölkerung. Sie lebt direkt oder über den Exporterlös vom Ertrag ihrer Ernte. Sie ist meist nicht über Versicherungen an den globalen Finanzkreislauf angekoppelt. Sie kann nicht erwarten, dass ihre Regierung nach Katastrophen die notwendigen Gelder freischaufelt, wie in Deutschland durch Verschiebung einer Steuerreform. Oft lebt sie in sehr fruchtbaren, aber überschwemmungsgefährdeten Flussdeltas. Und - sie ist fast gar nicht für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich.

Die Hauptverantwortlichen für den globalen Klimawandel, die in den Industrieländern sowie in den Inseln des Reichtums der Entwicklungsländer leben, übernehmen bisher keine Verantwortung für die Opfer ihres Lebensstils. Dabei kommen nach den Grundprinzipien des internationalen Völkerrechts zwei Grundverpflichtungen auf diejenigen zu, die andere schädigen. Erstens aufzuhören, Schaden zuzufügen. Zweitens die Leidtragenden der nicht vermeidbaren Schäden zu kompensieren. Bisher werden die Industriestaaten der ersten Verpflichtung nur sehr bedingt gerecht. Ein zu schwaches Kyoto-Protokoll wurde durch das Wegbrechen des größten Emittenten, der USA, weiter durchlöchert. Der zweiten Verpflichtung kommen sie gar nicht nach.

Vor diesem Hintergrund drängt Germanwatch auf die Etablierung eines durch die Verursacher des globalen Klimawandels mitfinanzierten, internationalen Versicherungsmodells für die besonders vom Klimawandel betroffene Bevölkerung. Ein solches öffentlich-privates Versicherungssystem könnte bei der Weiterentwicklung des internationalen Klimaschutzregimes eine wichtige Rolle spielen.

Dieses Versicherungsmodell sollte die kommerziell Nicht-Versicherbaren versichern, vor allem in den besonders verletzlichen Ländern des Südens.

Dieses Modell kann eine wichtige Rolle spielen, um eine eklatante Gerechtigkeitslücke zu schließen. Es würde die Menschen unterstützen, die am meisten unter dem globalen Klimawandel leiden, aber am wenigsten Treibhausgase emittieren. Es sollte zum einen Schäden kompensieren und zum anderen - etwa über die Bereitstellung von Mikrokrediten für die Neusaat - den Wiederaufbau nach Katastrophen erleichtern.

Nach dem Verursacherprinzip sollten die Treibhausgasemittenten an der Versicherungsprämie beteiligt werden.

Es ist inzwischen unzweifelhaft, dass der starke Anstieg der Treibhausgasemissionen in diesem Jahrhundert das Risiko von Wetterextremen stark erhöhen wird. Dann aber sollten die, die diese Risikozunahme verursachen, auch bei der Teilung der Risiken beteiligt werden. Sie sollten einen wichtigen Teil der Prämie je nach Ausstoß von Treibhausgasen erbringen. Es liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, wie sich die Verantwortung der verschiedenen Staaten berechnen lässt.

Es ist nicht zu erwarten, dass Regierungen größere Prämienzahlungen aus ihrem Budget aufbringen. Es sollte daher eher an Abgaben auf Treibhausgase oder auf den Emissionshandel gedacht werden. Ein erster Schritt könnte eine internationale Flug- und Schiffverkehrsabgabe sein. Denn der internationale Flug- und Schiffverkehr ist der einzige Sektor, der bislang unter dem Kyoto-Protokoll von jeder Verantwortungsübernahme befreit ist. Eine nach dem Verursacherprinzip erhobene Prämie würde ganz nebenbei den gewünschten Anreiz geben, weniger Treibhausgase freizusetzen.

Das Versicherungssystem sollte einen starken Anreiz zu Schadensvorsorge und Anpassung an die gesteigerte Verletzlichkeit setzen.

Da nicht alle Wetterkatastrophen durch den globalen Klimawandel verursacht sind, sollten zwei weitere Gruppen von Einzahlern beteiligt sein. Zum einen die Staaten bzw. Regionen, die Versicherungsschutz wollen. Zum anderen die Organisationen - wie etwa die Weltbank -, die bisher nach Katastrophen einen Großteil der Schadensfinanzierung übernehmen. Würden die Treibhausgasemittenten die gesamte Prämie übernehmen, würde in den betroffenen Regionen ein Anreiz zur Fehlanpassung gesetzt. Wer in besonders verletzlichen Regionen baut, weiß, dass er dort bei Überflutungen Kompensation erhalten wird. Auch deshalb ist es sinnvoll, dass ein Teil der Prämie von den potenziell Betroffenen aufgebracht wird.

Dieser Teil sollte einerseits gestaffelt sein je nach Einkommen der Betroffenen, andererseits nach den erbrachten Leistungen zur Schadensvorsorge. Wer so gut wie kein eigenes Einkommen hat, sich aber aktiv an der Schadensvorsorge beteiligt, sollte von der Eigenbeteiligung befreit sein.

Das Geld soll bei den Betroffenen, nicht bei den Regierungen ankommen.

Die Glaubwürdigkeit eines solchen Systems lebt davon, dass es den von Fluten, Stürmen und Dürren Betroffenen die notwendige Unterstützung bietet. Angesichts der Korruptheit des Staatsapparates in vielen Staaten ist es notwendig, dass das Geld direkt den Betroffenen sowie vor Ort agierenden Organisationen zugute kommt. Ein solches Klima-Versicherungsmodell international durchzusetzen, ist keine leichte Aufgabe. Viele inhaltliche und politische Klippen liegen auf dem Weg dahin. Germanwatch lädt daher alle Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ein, sich an einem Suchprozess über diese Klippen hinweg zu beteiligen.

Christoph Bals
 

 

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