"Zucker hilft gegen Armut"

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"Zucker hilft gegen Armut"

Interview mit Dr. Rudolf Buntzel, Beauftragter für Welternährung beim Evangelischen Entwicklungsdienst eed

 

Herr Buntzel, wie beurteilen Sie die Reformvorschläge der EU Kommission zur EU-Zuckermarktordnung?

Die EU-Kommission hat sich entgegen den Empfehlungen der Bauern, der NGOs, der Entwicklungsländer und der Zuckerwirtschaft gegen eine direkte Senkung der Zuckerproduktionsmenge entschieden, sondern für eine indirekte Senkung über niedrigere Preise. Das ist eine sehr unsoziale Maßnahme mit dem Ziel, die Zuckerproduktion in der EU konkurrenzfähig zu machen. Es sollen nur noch die Besten übrig bleiben.

Wer sind die Gewinner der Vorschläge?

Verlieren werden alle, die an der europäischen Zuckerproduktion beteiligt sind. Relativ ungeschoren kommen aber die europäischen Zuckerkonzerne davon, sie werden voll für Fabrikschließungen kompensiert. Denn für die Rückgabe ihrer Zuckerquoten wird es attraktive Prämien geben. Dieses "Rauskaufen" von Zuckerfabriken aus dem Markt werden die Verbraucher mit einer neuen Zuckerabgabe von 4,25 Milliarden Euro bezahlen. Sie müssen dafür aufkommen, dass die Zuckerfabriken in der Vergangenheit maßlos aufgestockt und profitiert haben von den Lücken der Marktordnung.

Und wer sind die eigentlichen Verlierer?

Alle Zuckerbauern, egal ob bei uns oder in den Entwicklungsländern, die Handelspräferenzen auf dem europäischen Markt haben, werden durch die gesenkten Zuckerpreise Einkommen verlieren. Die europäischen Zuckerbauern werden dafür mit 1,5 Milliarden Euro entschädigt. Unter den Entwicklungsländern gibt es nur ganz wenige, die künftig weiter nach Europa liefern können. Dazu gehören Äthiopien, Sambia, Mosambik, Malawi oder der Sudan, weil sie eine konkurrenzfähige Zuckerproduktion haben. Alle anderen werden deutliche Verluste haben. So verlieren die AKP-Länder ihre Lieferprivilegien. Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sollen zwar innerhalb der "Alles außer Waffen"-Initiative einen zollfreien Zugang zum europäischen Markt ab 2009 bekommen, werden dann aber auch nur die gesenkten Preise erhalten.

Sind Ausgleichzahlungen für Entwicklungsländer vorgesehen?

Die einzuführende Produktionsabgabe auf Zucker soll für AKP-Länder 3 Jahre nicht gelten. Das verschafft ihnen eine kleine Atempause. Außerdem soll es für einige Länder sogenannte "Nationale Aktionspläne" der EU geben. Die ärmsten Länder, die LDCs, sollen aber bis jetzt nichts bekommen. Wir fordern deshalb, dass sie in das System der Nationalen Aktionspläne eingebunden werden.

Was wäre noch nötig aus Sicht der Kleinbauern in Entwicklungsländern?

Zum einen müssen die Mittel für die Nationalen Aktionspläne erheblich aufgestockt werden - auf mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr. Diese Gelder müssen aus der Zuckermarktordnung heraus finanziert werden und nicht aus dem europäischen Entwicklungsfond. Grundlage für die Nationalen Aktionspläne muss das Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards in der Zuckerproduktion sein.

Bringt denn die Produktion von Zucker in Entwicklungsländern den Menschen vor Ort überhaupt etwas?

Ja, definitiv. Sie gibt Bauern und Arbeitern ein Einkommen. Außerdem sind in Afrika die Zuckerfabriken und -plantagen oft staatliche oder halbstaatliche Betriebe. Diejenigen, die ich dort kürzlich bei Reisen in Uganda, Tansania und Mosambik gesehen habe, investieren in Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, so dass die ganze Region davon profitiert. Hier findet Entwicklung statt, wir waren begeistert. Zucker hat in Afrika eine echte armutsbekämpfende Wirkung.

Was für Alternativen zum Export des Zuckers nach Europa haben die Entwicklungsländer?

Sie können ihre eigenen Märkte mit Zucker versorgen. Die meisten Länder Afrikas schaffen das nicht, zum Teil weil subventionierter Importzucker aus der EU billiger ist. Diese Dumpingexporte aus der EU müssen aufhören.

Welche Maßnahmen würden Zuckerbauern in Nord und Süd nutzen?

Erstens hohe Preise - aber die sollen ja jetzt leider gesenkt werden. Zweitens müssen alle Länder - egal ob in Europa oder den Entwicklungsländern - weiter das Recht haben, Zölle auf importierten Zucker zu erheben, um die eigene Produktion zu schützen. Drittens muss sich die europäische Zuckerwirtschaft komplett vom Weltmarkt als Exporteur zurückziehen. Viertens sollten die LDC-Länder mengenmäßige Vorgaben bekommen, wie viel sie nach Europa exportieren dürfen. Fünftens sollten die europäischen Zuckerkonzerne wie Nordzucker und Südzucker direkt in den LDC-Ländern investieren. Dann könnten sie dort zeigen, wie man moderne Plantagen und Fabriken betreibt und dabei Sozial- und Umweltstandards achtet. Sie könnten mit gutem Beispiel vorangehen, statt immer nur gegen diese Standorte zu polemisieren.

Das Interview führten Sarah Kahnert und Ralf Willinger

 

Glossar

AKP-Staaten - 78 ehemalige europäische Kolonien aus Afrika, Karibik und Pazifik, die bevorzugte Handelsbedingungen mit der EU haben.

LDCs (Least Developed Countries) Die 50 weltweit ärmsten, "am wenigsten entwickelten" Länder. Ab 2009 dürfen sie innerhalb der "Alles außer Waffen"- Initiative zollfrei Zucker in die EU liefern

Dumping - "Verkauf von Produkten auf dem Weltmarkt unterhalb der Produktionskosten im Herstellungsland" (Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens GATT). Oft ist dies möglich aufgrund von staatlichen Subventionen im Herstellungsland. Dumping verzerrt den Wettbewerb. Produzenten, die keine Subventionen erhalten, werden vom Markt verdrängt. Im Weltagrarhandel sind dies oft Bauern in Entwicklungsländern.

 

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