Für den Klimapolitik-Wandel!

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Für den Klimapolitik-Wandel!

Das Klima wandelt sich – kommt endlich auch die Wende in der Klimapolitik?

 

Erst wurde bestritten, dass das Klima sich wandelt. Dann, dass der Mensch dafür verantwortlich sei. Und dann, dass der Klimawandel gefährlich sei. All dies sind Debatten von gestern. Der wissenschaftliche Befund ist eindeutig. Wohin man schaut, erteilt das Wetter weiteren Anschauungsunterricht. Beim jetzt beginnenden UN-Klimagipfel in Nairobi wird man sehen, ob die internationale Politik die Zeichen der Zeit erkennt.
 

Die Verdrängungsstrategien werden löchrig, von Hurrikans zerfetzt, von Hitzewellen gekocht, von einem zunehmend risikobewussten Finanzmarkt durchbohrt. Von Opfern des Klimawandels werden große Verursacher, die bewusst eine Nebelkerze nach der anderen gezündet haben, auf Schadensersatz verklagt - wie jüngst sechs Autokonzerne, darunter Daimler-Chrysler, vom Staat Kalifornien. Zurecht hat die britische Wissenschaftsakademie Royal Society das reichste Unternehmen der Welt, Exxon - in Deutschland Esso - aufgefordert, endlich die Finanzierung von dubiosen Skeptikervereinen einzustellen, die den Klimawandel bis heute bestreiten.

Apollo-Allianz: In neun Jahren zum Mond, in zehn Jahren zum Klimaschutz

Neue Allianzen bilden sich: In den USA hat die "Apollo-Allianz" ein breites gesellschaftliches Bündnis geschmiedet. Einst hatte US-Präsident Kennedy angekündigt, dass die Amerikaner in einem Jahrzehnt auf dem Mond landen werden. In neun Jahren war der verwegene Plan geglückt. Die Apollo-Allianz will jetzt durchsetzen, dass die USA in höchstens zehn Jahren auf der Erde einen großen Schritt für die Menschheit machen: einen Schritt zu mehr Klimaschutz.

In Deutschland hat die katholische Bischofskonferenz ein beachtenswertes Plädoyer für den Klimaschutz vorgelegt, das angesichts des Klimawandels eine dreifache Gerechtigkeitsfrage stellt: Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen in Entwicklungsländern, die fast keine Emissionen freigesetzt haben, aber jetzt schon am schutzlosesten den Klimaänderungen ausgesetzt sind; Gerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen, die gar keine Emissionen freigesetzt haben, deren Zukunft aber verdunkelt wird; und Gerechtigkeit gegenüber der Natur, denn der Klimawandel droht die wichtigsten Zentren der Artenvielfalt zu Wasser und zu Land zu vernichten, die Korallenriffe und den Amazonas-Regenwald.

Nie waren die Chancen für eine Klimapolitik-Wende besser

Noch steigen die Emissionen weltweit. Aber nie waren die Chancen für eine ernsthafte Klimawende der Politik besser. Es spricht viel dafür, dass sich kein künftiger US-Präsident die gnadenlose Klima-Ignoranz eines George W. Bush leisten kann. Es mehren sich die Anzeichen, dass die chinesische Regierung das Emissionswachstum zumindest eindämmen will. Unternehmens-Chefs wie David Crane vom großen US-Energieversorger NRG schwant, dass der Klimawandel nicht einfach eins von vielen Unternehmensrisiken ist. "Wir sprechen hier über die Art von Herausforderung für Unternehmen, die es vielleicht einmal in hundert Jahren gibt."

Einige politische Instrumente haben sich bewährt. Das Kyoto-Protokoll hatte Ausstrahlungskraft genug, um gegen den Widerstand der (Emissions-)Supermacht USA in Kraft gesetzt zu werden. Der EU-Emissionshandel hat die Investitionskalkulation bei allen Großemittenten verändert. Er hat - anders als in anderen Weltregionen - bei steigenden Gaspreisen den Umstieg auf Kohle weitgehend verhindert. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell, das weltweit kopiert wird.

Deutschland hat im ersten Halbjahr 2007 sowohl die EU-Präsidentschaft als auch die G8-Präsidentschaft inne. Bundeskanzlerin Merkel hat jetzt angekündigt, dass das Klimathema dabei oben auf der Tagesordnung stehen soll. Die Erwartungen an Deutschland sind gewaltig. Denn in dieser Zeit müssen die Weichen gestellt werden, damit die EU sich zu dem notwendigen 30-Prozent-CO2-Reduktionsziel bis 2020 durchringen kann. Soll das glaubwürdig geschehen, müssen ernsthafte Instrumente für die Energieeffizienz im Auto- und Flugverkehr sowie im Gebäudebestand auf den Weg gebracht und die Grundlage für einen Kraftwerkspark gelegt werden, der ohne Atomkraft eine 80-prozentige Reduktion der Treibhausgase bis 2050 einläutet.

Verursacher müssen Klimaschäden bezahlen

Beim jetzt beginnenden Klimagipfel in Kenia steht die Situation der Entwicklungsländer im Mittelpunkt. Angesichts der sich abzeichnenden verheerenden Konsequenzen des Klimawandels wird es vor allem darum gehen, ob die Hauptverursacher - die Industrieländer - die Anpassungsmaßnahmen für die Hauptbetroffenen - besonders die Landbevölkerung in Entwicklungsländern- großzügig mitfinanzieren. Diese Frage nach einem zielgenauen Mechanismus, durch den Verursacher zur Kasse gebeten und die Betroffenen wirkungsvoll unterstützt werden, ist zum zweiten Eckpunkt der Klimadebatte geworden.

Emissionen zu senken, um das Unbewältigbare - einen gefährlichen Klimawandel - zu vermeiden. Und die Finanzierung von Anpassungsstrategien, um das Unvermeidbare - die Schäden durch schon geschehene Klimaänderungen - zu bewältigen. Es lohnt sich, die Tür für diese beiden Säulen der Klimapolitik weit aufzustoßen. Es lohnt sich für uns alle.

Christoph Bals
Politischer Geschäftsführer Germanwatch

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