Eine Hochkultur schmilzt weg

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Eine Hochkultur schmilzt weg

In Laddakh im Himalaja verschwinden die Gletscher – und damit die Lebensgrundlage der Menschen

 

Laddakh - eine Steinwüste im Himalaja, bizarre Felsen und Sand wohin man schaut. Dort wo Gletscherwasser den Berg hinunter kommt, wird es kunstvoll aufgestaut, abgezweigt, durch teilweise kilometerlange kleine Kanäle zu den "Oasen" geleitet. Unglaublich, dass es die Menschen in dieser Hochebene seit mehr als zwei Jahrtausenden schaffen, in den drei bis vier Monaten der Wachstumsperiode in den Oasen genug für den Rest des Jahres zu ernten. Gerste, Lauch, Möhren, ja selbst Aprikosen wachsen hier in 3500 Meter Höhe auf dem "Dach der Welt". Faszinierend, dass die Menschen hier nicht nur eine Subsistenzwirtschaft aufgebaut haben, sondern eine Hochkultur mit buddhistischen Klöstern, in der Hungersnöte nicht bekannt waren.

Viel hat sich geändert in den letzten drei Jahrzehnten in Laddakh im Norden Indiens - durch die starke Präsenz des Militärs in der Grenzregion zu Pakistan und China, wohl mehr noch durch die Touristen, die seit den 70er Jahren kommen dürfen. Doch weit mehr an Wandel steht der Region bevor. "Es ist wärmer geworden", sagt uns bereits heute die Tochter eines Bauern auf die Frage, was sich am meisten gewandelt habe.
 


Gärten auf dem Dach der Welt: Noch wachsen in Laddakh Gerste, Möhren und Aprikosen - dank eines Bewässerungssystems mit Gletscherwasser. Foto: Christoph Bals

Im Juli sollen es tagsüber 15 bis 20 Grad sein, doch es waren um die 30 Grad. Nachts waren es 15 bis 20 Grad, doch da liegen die Temperaturen normalerweise um den Nullpunkt. In den Flüssen und Bächen rauscht das Gletscherwasser. Doch auf Satellitenbildern kann man sehen, wie schnell die Gletscher im Himalaja schmelzen. Noch in diesem Jahrhundert sollen sie weitgehend verschwunden sein. Es ist völlig unklar, ob und wie die 150.000 Menschen in Laddakh mit dieser Entwicklung zurecht kommen werden.

Mit einer Gruppe von Studenten aus Laddakh diskutieren wir das Problem und Handlungsmöglichkeiten: Lässt sich die Gletscherschmelze verlangsamen, indem man zumindest einige davon im Sommer mit weißen Folien abdeckt, wie es in der Schweiz bereits getestet wird? Kann man Gletscherwasser auf die Nordseite von Bergen umleiten, wo der Frost später weicht, um im Sommer einen verringerten Abfluss zu haben? Kann man Wasser vom Fuße des Himalaja nach oben pumpen?

Gutgelaunt, aber auch in Sorge um die Zukunft: Studenten im indischen Himalaja.

Während wir diskutieren, fragt eine Studentin: "Und was ist mit Deutschland? Vor wenigen Tagen hat die Bundeskanzlerin dort den Grundstein für das größte Braunkohlekraftwerk der Welt gelegt. Werden die Bundesregierung oder RWE, die Treibhausgase freisetzen und damit das Klima erwärmen, die notwendigen Maßnahmen hier mitfinanzieren? Oder werden sie uns ein Visum für Deutschland geben, wenn wir hier nicht mehr überleben können?"

Christoph Bals
Der Politische Geschäftsführer von Germanwatch war mit seiner Familie im Sommer für zwei Monate in Indien.
 

 

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