Gestärkte Zivilgesellschaften im Globalen Süden sind Grundvoraussetzung für Transformationsprozesse
Gestärkte Zivilgesellschaften im Globalen Süden sind Grundvoraussetzung für Transformationsprozesse
Warum sind zivilgesellschaftliche Akteure für die Entwicklung von Lösungen für komplexe Probleme wichtig?
Nachhaltige Lösungsansätze für komplexe Problemstellungen wie Klimawandel oder die Bekämpfung von Hunger und Armut beinhalten transformative gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die nur in enger Zusammenarbeit verschiedener gesellschaftlicher Akteursgruppen bewältigt werden können. Für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen gilt es, zivilgesellschaftliche Akteure aktiv einzubinden, damit diese die Entwicklungen über demokratische Beteiligungsprozesse mittragen. Das macht die Zivilgesellschaft zu einem Schlüsselakteur für Transformationsprozesse.
In Deutschland haben NGOs vergleichsweise großen Spielraum. Wie schätzen Sie die Handlungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft in anderen, vor allem südlichen Partnerländern ein?
Mehr als fünf Milliarden Menschen weltweit leben in Staaten, in denen zivilgesellschaftliche Beteiligung – der „Civic Space“ – beschränkt, unterdrückt oder geschlossen ist. Ihre Handlungsmöglichkeiten verschlechtern sich durch autoritäre und repressive Regierungen. Neben offenen Repressalien und Verfolgungen von Akteuren der Zivilgesellschaft kommt es immer häufiger zu systematischen bürokratischen Einschränkungen, die eine erfolgreiche Arbeit für viele unabhängige NGOs unmöglich macht.
Welche Auswirkungen hat dieser schrumpfende Spielraum auf die Entwicklung von Lösungsansätzen zu komplexen entwicklungspolitischen Fragen?
Schrumpft der Spielraum der Zivilgesellschaft systematisch, wird eine der wichtigsten gesellschaftlichen Akteursgruppen von der Lösung unserer dringendsten Zukunftsprobleme ausgeschlossen. Damit birgt der gesamte Lösungsansatz von vorn herein die Gefahr des Scheiterns, da transformative gesellschaftliche Veränderungen ohne zivilgesellschaftliche Beteiligung weder erfolgreich noch nachhaltig sein können.
Wie können Multi-Akteurs-Partnerschaften hier helfen? Wie müssen sie aufgesetzt sein, um diesen Mehrwert zu erbringen?
Multi-Akteurs-Partnerschaften als strategische Allianzen zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen können helfen, den schrumpfenden Spielraum und Repressionen gegen NGOs zu reduzieren und neue Handlungsspielräume zu schaffen. Für erfolgreiche Multi-Akteurs-Partnerschaften müssen allerdings bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sein, wie ein dialogisches und konsensorientiertes Vorgehen, eine transparente Kommunikation auf Augenhöhe und gemeinsame Ownership zwischen den Akteuren sowie die Langfristigkeit der Prozesse.
Was kann Deutschland tun, um die Zivilgesellschaft vor allem auch in Partnerländern zu fördern?
Das politische Empowerment von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Netzwerken auf der Grundlage einer von gegenseitigem Respekt und Transparenz geprägten Partnerschaft ist ein wichtiger Ansatz. Damit verbunden ist eine systematische und langfristige Kapazitätsstärkung und Förderung von Ownership zivilgesellschaftlicher Partner. Neue Allianzen mit Sektoren auszuloten, die NGOs traditionell kritisch gegenüberstehen, um eigene Handlungsspielräume zu erweitern und strategische Partner im Kampf gegen staatliche Repressionen zu gewinnen, wäre eine weitere Unterstützungsmöglichkeit durch deutsche Akteure.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte sich immer vor Augen führen, dass die Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure im Globalen Süden und ihrer Handlungsspielräume eine Grundvoraussetzung für transformative gesellschaftliche Veränderungsprozesse im Sinne unserer Agenda für nachhaltige Entwicklung ist.
Interview: Rixa Schwarz, Germanwatch