Energiewende trotz 97 % Braunkohlestrom

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Energiewende trotz 97 % Braunkohlestrom

Interview mit Visar Azemi und Rinora Gojani, Geschäftsführer und Programmmanagerin der Balkan Green Foundation
Portraitfotos Visar Azemi und Rinora Gojani

Gemeinsam mit der Balkan Green Foundation setzt Germanwatch ein Projekt für eine Energiewende im Kosovo um. Das kleine Land hat die sechstgrößten Braunkohlereserven der Welt. Gemeinsam erarbeiten Ministerien, NGOs, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einen Fahrplan für die Energiewende. Das Projekt hat bereits eine wissenschaftliche Studie mit Empfehlungen zur Energiewende veröffentlicht, ein lokales Pilotprojekt wird in 2020 folgen.
 

Der Kosovo deckt 97 % seiner Stromversorgung mit Kohle. Deutschland steigt aus der Braunkohle aus. Sind wir nicht auf verschiedenen Planeten, gibt es überhaupt Gemeinsamkeiten?

Die Regierung des Kosovo plant, ein neues Braunkohlekraftwerk zu bauen – obwohl dies unwirtschaftlich ist und das Land für weitere 40 Jahre an die Kohle bindet. Kosovo sollte stattdessen jetzt mit der Integration Erneuerbarer beginnen. Dabei können wir sehr viel vom „Mutterland der Energiewende“ lernen.

Nationalismus ist ein großes Problem auf dem Balkan. Behindert das die Arbeit an einer Energiewende?

Alle Länder des Westbalkans versuchen, die Region zu dominieren mit neuen Energie-Investments, vor allem in Kohlestrom. Ein regionaler Energiemarkt wird eine zentrale Rolle spielen um die Beziehung der Länder zu normalisieren. Dafür müssen alle Länder die Energieunabhängigkeit ihrer Nachbarn anerkennen. Ein aktuelles Hindernis ist hier der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien. Kosovo kann dadurch nicht Mitglied im Verbund der europäischen Stromnetzbetreiber ENTSO-E werden. Dies kann nicht von heute auf morgen gelöst werden. Aber es ist sehr wichtig, von Seiten der EU den Dialog über grenzüberschreitende Projekte zu intensivieren und den Ausbau von Netzprojekten zu ermöglichen.

Wie kann Deutschland eine erfolgreiche Energiewende auf dem Westbalkan unterstützen?

Deutsche Projekte der internationalen Zusammenarbeit haben bereits viele positive Wirkungen auf den Energiesektor in der Region, zum Beispiel bei der Energieeffizienz von Gebäuden. Dies sollte intensiviert werden durch ein noch stärkeres politisches Engagement für eine Energiewende. Die Bundesregierung sollte deutsche Unternehmen dabei unterstützen, in Erneuerbare Energien auf dem Balkan zu investieren, und die technische Unterstützung für die Energiewende intensivieren. Des Weiteren kann sie die Länder auf dem Westbalkan noch entschiedener zur Kooperation einladen und so wichtige Impulse setzen – nicht nur für eine Energiewende, sondern auch für eine friedliche Kooperation in der Region.
 

Interview: Martin Schön-Chanishvili, Germanwatch

Übersetzung: Leon Möllney, Germanwatch

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