Vom Überfluss zur Knappheit?

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Vom Überfluss zur Knappheit?

Oder: die mögliche Rückkehr des Hungers

 

Die Weltbank befürchtet Unruhen und Instabilität in 33 Ländern aufgrund der Preissteigerungen für Nahrungsmittel. Das Erreichen des zur Jahrtausendwende verkündeten Ziels, Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren, drohe damit vielerorts unmöglich zu werden. Die Menschen in den Slums der Städte und die Kleinbauern ohne Zugang zum Markt, die oft 75 Prozent ihres Einkommens für Nahrung aufwenden, sind die Hauptbetroffenen des Preisanstiegs. Die Ursachen sind vielfältig.

 

  • Die Zahl der Menschen weltweit wächst jährlich etwa um die Einwohnerzahl Deutschlands.
  • Die Produktion eines Kilos Rindfleisch erfordert acht Kilo Soja. Der zunehmende Fleischgenuss in den Schwellenländern, etwa in China und Indien, beansprucht - dem Vorbild der Industrieländer folgend - immer mehr landwirtschaftliche Flächen.
  • Zwar werden für Agrosprit bislang nur zwei Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche genutzt. Angesichts der starken Dynamik schätzen verschiedene Studien die preistreibende Wirkung dennoch als hoch ein. 

Das Export-Dumping landwirtschaftlicher Überschüsse der Industrieländer hat die Landwirtschaft in vielen Entwicklungsländern geschwächt - so mussten etwa immer mehr afrikanische Staaten Nahrungsmittel importieren. Heute zählen sie zu den weltweit 82 Staaten mit gravierenden Defiziten bei der Nahrungsmittelproduktion.

Außerdem: Wüsten wachsen. Mega-Städte in Südostasien und Lateinamerika wuchern in fruchtbare Landflächen. Die Erosion gefährdet die Bodenfruchtbarkeit. In China beispielsweise geht jedes Jahr ein Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche verloren.

Der Klimawandel führt schon heute zu verringerter Produktivität und Wasserverfügbarkeit der Landwirtschaft in vielen Entwicklungsländern. Darüber hinaus ist Australien durch die Dauerdürre in den letzten Jahren als großer Getreideexporteur ausgefallen.

Angesichts dieser Fundamentaldaten haben viele Investoren, insbesondere große Pensionskassen und Hedgefonds, in Zeiten abbröckelnder Aktienkurse und Gebäudepreise viele Milliarden in den Rohstoffmärkten für Grundnahrungsmittel angelegt und die Preise weiter angetrieben. 
Nun setzen viele darauf, dass wegen der hohen Preise viele Landwirte neue Flächen unter den Pflug nehmen und deren Produktivität steigern. Schon im vergangenen Jahr gab es eine Rekordgetreideernte, auch wenn diese auch noch nicht ausreichte, um die stärker gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Anfang Mai legte das US-Landwirtschaftsministerium Prognosen vor, nach denen in diesem Jahr mit einem neuen Rekord bei Weizen und Soja zu rechnen ist.

Doch selbst wenn das Wetter dieses Jahr nicht - wie so oft in der letzten Dekade - die Pläne durchkreuzt, bleiben zwei große Fragen offen: Steigt die Produktivität schnell und dauer-haft genug? Hilft sie tatsächlich den Menschen, die schon heute von Hunger bedroht sind?

Christoph Bals

 

 

 

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