Geht der internationalen Klimalokomotive Deutschland die Luft aus?

Weitblick Artikel

Geht der internationalen Klimalokomotive Deutschland die Luft aus?

Die deutsche Klimapolitik verliert in international kritischer Phase an Schwung

 

In zwei Jahren werden wir abschätzen können, wie groß unsere Chance noch ist, einen gefährlichen Klimawandel abwenden zu können. Werden die EU und Deutschland Lokomotiven im internationalen Klimaschutz bleiben, oder geht ihnen nach den großen Ankündigungen die Luft aus? Wird es in den USA endlich eine massive Klimawende geben? Macht die chinesische Regierung ernst mit massiver Effizienzsteigerung? Wird es ein wirkungsvolles internationales Abkommen für Klimaschutz und Unterstützung der Betroffenen geben? Eines ist klar: Ohne eine überzeugende Vorreiterrolle Deutschlands und der EU wird es nichts mit der internationalen Klimawende.

Machen Deutschland und EU ernst mit ihrer Vorreiterrolle?

Das Bundeswirtschaftsministerium und die bayerische CSU haben gerade verhindert, dass der zweite Teil des angekündigten Klimaschutzpakets Anfang Juni verabschiedet werden kann. Die Umstellung der KfZ-Steuer von Hubraum auf CO2-Ausstoß werde "zu Verzerrungen innerhalb der Neuwagenflotte führen", meinte der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Kurzum, er hat Sorge, dass sie wirkt. Außerdem sei es sinnvoll, den "Fahrzeugbestand von Steuererhöhungen" zu verschonen - hinzu kommt also Angst vor dem Wähler. Auch die Hausbesitzerlobby hat es geschafft, die Möglichkeit von Mietminderung bei unterlassener Wärmesanierung zu kippen. Und das ganze Paket an Klimabeschlüssen wurde jetzt auf die Warteschleife geschickt. Bei der Umsetzung drohen damit die Klimabeschlüsse von Meseberg zu einem Mesehügelchen zu schrumpfen. Mehr noch: Auch bei der Vorbereitung der großangekündigten Klimaschutzprogramme der EU gehört Deutschland zunehmend zu den Bremsern.

Einen Teil der Glaubwürdigkeit der hatte bereits die Kommission verspielt, als sie unter dem Druck vieler Mitgliedsstaaten Gesetzesentwürfe vorlegte, die sich am Ziel der Treibhausgas-Reduktion von 20 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) orientieren. Auf die notwendigen 30 Prozent soll das Ziel erst erhöht werden, wenn es tatsächlich zu einem Klimaschutzabkommen Ende 2009 in Kopen-hagen kommt. Mit den Gesetzesentwürfen für die Zukunft des Emissionshandels, die Förderung der Erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz steht nun der Lackmustest an. Die Verhandler weltweit sind gespannt, ob die EU tatsächlich mit einem solchen Paket zum UN-Klimagipfel in Posen Ende des Jahres reisen wird.

Die EU, die USA und China in den klimapolitischen Hauptrollen

Die EU, die USA und China sind die wichtigsten Akteure, wenn es darum geht, die Welt auf einen Pfad zu lenken, der nicht in das Großexperiment des ungebremsten globalen Klimawandels hineinführt. In diesen drei Regionen wird in den nächsten zwei Jahrzehnten der größte Anteil der Energieinvestitionen fließen. Zentral dabei: ob die emissionsintensive Kohle - und zwar ohne geologische Lagerung des CO2 - dabei dominiert oder klimafreundliche Alternativen gefunden werden. Obwohl die Zeichen heute besser als vor zwei Jahren stehen, ist es völlig offen, ob es zu einer globalen, kooperativen Strategie kommt. Es ist enorm ambitioniert, die Politik gemeinsam am Dreieck der Klima-, Energie- sowie Ernährungssicherheit neu auszurichten. Werden in einem neuen internationalen Abkommen nicht nur die Interessen der Großmächte, sondern auch die der besonders vom Klimawandel Betroffenen berücksichtigt? Streben wir auf eine globale Klimapartnerschaft oder auf eine neue Klima-Apartheid zu?

US-Klimawende wider das Zwei-Grad-Limit?

Die jüngste Grundsatzrede zum Klimawandel des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten McCain zeigt, dass auch Klima-Apartheid eine Möglichkeit ist. Zum einen bezeichnet er zwar den Klimawandel "als Test für die Vorsorge, den politischen Mut und die uneigennützige Sorge, die eine Generation der nächsten gegenüber schuldig" sei. Das Reduktionsziel, das er für die USA bis 2050 angibt, hört sich aber nur auf den ersten Blick gut an: 60 Prozent bis 2050 (gegenüber 1990). Von einem global fairen Klimaschutzziel ist diese Ankündigung weit entfernt. Jeder Amerikaner würde dann jährlich immer noch durchschnittlich acht Tonnen CO2 pro Kopf ausstoßen. Soll der Klimawandel aber auf ein beherrschbares Niveau eingegrenzt werden, müssen es global wahrscheinlich deutlich weniger als zwei Tonnen pro Kopf sein. Gleichzeitig sagt McCain, die Länder mit einem hohen Emissionswachstum - explizit werden China und Indien genannt - müssten "in gleicher Weise" wie die USA behandelt werden. Was dies genau heißt, bleibt zwar unklar. Doch zumindest läuft eine solche Strategie darauf hinaus, auch langfristig einen deutlich geringeren Pro-Kopf-Ausstoß der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern festzuschreiben. Nach dem schriftlichen Redetext droht McCain China gar mit einem klimapolitischen Handelskrieg, wenn sich das Land nicht darauf einlässt. (Beim Vortrag hat er die Formulierung etwas abgeschwächt.) Die besonders vom Klimawandel betroffenen Menschen und Staaten kommen in seiner Rede überhaupt nicht vor. Kein Wort zur notwendigen Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in diesen Ländern. Einen Klimapakt, der ihre Wachstumsmöglichkeiten in solcher Weise unfair einschränkt, nennen viele Entwicklungsländer "Klima-Apartheid". Solange die USA nicht mit einer konstruktiven Strategie auf sie zukommen, wird sich auch China international nicht stark bewegen. Und selbst wenn: Dort steht noch der Nachweis aus, ob die Regierung die wachsende Zahl von Klimaschutzbeschlüssen in dem riesigen Land konsequent umsetzen kann.

Primat der UN-Ebene

Die McCain-Rede zeigt auch, wie viel zu verlieren ist, wenn ein Klimadeal nur zwischen den Schwergewichten der Weltpolitik und nicht im UN-Kontext getroffen wird. Ergänzend können bilaterale Verhandlungen der EU mit China und den USA sowie anderen Schwergewichten durchaus eine wichtige Rolle spielen.

Wird die Zivilgesellschaft mehr Druck auf die Regierungen ausüben? Wird sie den Politikern die Angst nehmen, mit ernsthaftem Klimaschutz nur Wahlen verlieren zu können? Immerhin: In den USA sind schon etwa 50 Kohlekraftwerke, unter anderem durch Druck von der Straße, verhindert worden. In Deutschland sind es bereits vier. Die Klima-Allianz ruft zu großen Demonstrationen in Hessen und Brandenburg am 13. September auf. Beteiligen auch Sie sich!
 

Sven Harmeling und Christoph Bals

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