Raus aus der Kohle, rein in eine neue Energiezukunft

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Raus aus der Kohle, rein in eine neue Energiezukunft

Weitblick-Bild 1/16: Karikatur Kohleparadies

Karikatur: Michael Hüter

Der Pariser Klimagipfel im Dezember 2015 war ein Aufbruchssignal: Alle 195 Staaten der Erde schließen ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen mit Verpflichtungen für alle ab. Es enthält einerseits Vereinbarungen für ernsthaften Klimaschutz und andererseits ein Solidaritätspaket für diejenigen, die von den Folgen des bereits stattfindenden Klimawandels besonders betroffen sind. Dennoch ist es keineswegs so, dass der Pariser Gipfel auf einen Schlag das Klimaproblem gelöst hätte. Selbst wenn die vorliegenden, kurzfristigen nationalen Klimaziele vollständig umgesetzt würden, würde sich das Klima um etwa 3 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmen – noch immer weit entfernt von der in Paris vereinbarten langfristigen Verpflichtung, die Klimaerwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie sogar unter 1,5 °C zu halten.

Das Abkommen enthält Regelungen, die diese Lücke schrittweise schließen sollen. Damit sendet es ein starkes Signal für den zügigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas in den nächsten Jahrzehnten. Erstens wird die Obergrenze für die Erwärmung verschärft und völkerrechtlich verankert. Zweitens wird diese abstrakte Grenze in ein konkretes, wissenschaftlich untermauertes Ziel für die Entwicklung der Treibhausgasemissionen übersetzt, nämlich Netto-Null-Emissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Dies schließt die Dekarbonisierung – also das Ende der durch Kohle, Öl und Gasverbrennung entstehenden CO2-Emissionen – bis Mitte des Jahrhunderts ein. Drittens werden alle Staaten aufgefordert, nationale Strategien einzureichen, wie sie diese Ziele bis Mitte des Jahrhunderts erreichen wollen. Viertens sollen die kurzfristigen Klimaschutzziele alle fünf Jahre überprüft und erhöht werden. Die erste Nachbesserungsrunde beginnt 2018 und bereits 2016 soll es einen Dialog darüber geben, die Ziele insbesondere der Industrieländer für 2020 noch nachzubessern. Fünftens stellen verbindliche und einheitliche Regeln zur Berichterstattung sicher, dass die internationale Gemeinschaft die Zielerreichung überprüfen kann. Sechstens schließlich verpflichten sich die Staaten, die globalen Finanzströme so umzuschichten, dass die Klimaziele zu erreichen sind.

Partnerschaften können Transformation voranbringen

Das Paris-Abkommen hat die Grundlage dafür gelegt, dass nun ernsthafte Transformations-Partnerschaften geformt werden können. Die deutsch-marokkanische Kooperation in Bezug auf die Energiewende in dem nordafrikanischen Land ist ein Beispiel dafür, dass das erfolgreich sein kann. Für die weltweite Klimaentwicklung zentral wird es sein, ob solche Partnerschaften mit Ländern und Ländergruppen gelingen, bei denen die wichtige Weichenstellung ansteht, ob Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zügig die Grundlage ihres Energiesystems werden – oder ob sie auf Infrastruktur etwa für Kohle und Teersand setzen. Wenn der durch Transformations-Partnerschaften unterstützte Umstieg nicht gelingt, könnte insbesondere die Emissionsentwicklung in Indien und Afrika allen Hoffnungen auf eine Stabilisierung des globalen Temperaturanstiegs unter 1,5 °C oder 2 °C schnell den Boden entziehen.

Auch ein gelungener internationaler Klimagipfel kann das notwendige Handeln von Regierungen, Investoren und Zivilgesellschaft aber nur wahrscheinlicher machen – nicht ersetzen. Ein völkerrechtliches Abkommen aller Staaten verändert die Risikoeinschätzung der Investoren, wie das Wirtschaftsmagazin „The Economist“ schreibt: „Nach Paris erscheint der Glaube, dass Regierungen bei ihren angekündigten grünen Strategien Kurs halten, besser begründet – und die Idee, in ein Kohlebergwerk zu investieren, erscheint riskanter.“ Dies ist wichtig angesichts der heftigen politischen Auseinandersetzungen, die in vielen Regionen der Welt um die notwendige Wende im Energie-, Verkehrs- und Landwirtschaftsbereich absehbar sind. Aber es ist alleine noch keine Garantie, dass die Wende gelingt.

Auch in Deutschland und der EU stehen jetzt Auseinandersetzungen an, damit das Pariser Signal Realität wird (siehe Artikel Paris im Rücken). In der EU geht es um die Verschärfung der unzureichenden Klimaziele für 2020 und 2030, eine Reform des Emissionshandels und verstärkte Ziele für Energieeffizienz. In Deutschland als erstes um den Ausstieg aus der Kohle – bis 2035 sollte der Ausstieg aus der Kohle gelingen, bis 2050 der Ausstieg aus Öl und Gas im Strom-, Verkehrs- und Gebäudesektor. Die Bürgerenergiewende muss wieder an Schwung gewinnen.

Kooperatives Zusammenspiel vieler Akteure

Dass in Paris ein umfassendes Abkommen erzielt wurde, liegt am Zusammenspiel vieler Faktoren. Dazu zählen die Bereitschaft zahlreicher einflussreicher Staaten – insbesondere aber der USA und Chinas – überhaupt ein Abkommen zu erreichen, das diplomatische Geschick der französischen Gastgeber und der Druck der kleinen und verletzlichen Staaten. Eine von den Marshallinseln angestoßene Ambitionsallianz spielte beispielsweise eine wichtige Rolle für den Erfolg. Auch Deutschland spielte eine konstruktive Rolle beim Zustandekommen dieser Allianz und beim Ausloten anspruchsvoller Kompromisse.

Das Ergebnis von Paris ist aber nicht allein der Verdienst der beteiligten Regierungen. In den letzten Jahren ist eine immer besser aufgestellte internationale Klimabewegung entstanden. Sowohl in den Verhandlungshallen als auch bei über 2.300 Kundgebungen in 175 Ländern setzte
sie während des Gipfels die Forderung nach einer sauberen Energiezukunft und einer gerechten Klimapolitik auf die Agenda. Auch die vielen Proteste vor Ort gegen fossile Energieprojekte, das Engagement für dezentrale erneuerbare Energieversorgung oder der immer häufiger von Erfolg gekrönte Versuch, juristische Grundsatzurteile zu erwirken, machen deutlich: Eine neue Energiezukunft ist im Entstehen – und sie ist von den meisten BürgerInnen gewollt.
 

Lutz Weischer, Christoph Bals & Jan Burck