„Nahezu jedes Unternehmen muss sich fragen, wie es sich an die neuen Realitäten anpasst“
„Nahezu jedes Unternehmen muss sich fragen, wie es sich an die neuen Realitäten anpasst“
Welche Gründe führten zu Ihrer Entscheidung, keine kohle-basierten Geschäftsmodelle mehr zu finanzieren?
Kohle ist der fossile Energieträger mit den höchsten CO2-Emissionen und daher am wenigsten mit dem 2 °C-Ziel vereinbar. Dieses ist nur dann erreichbar, wenn im globalen Energiemix Kohle substantiell reduziert wird. Ohne eine Drosselung der Kohleproduktion wird es also zu Überkapazitäten kommen. Zieht man außerdem den globalen Zubau von Erneuerbaren Energien in Betracht, dürfte die Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit der Kohleverstromung weiter abnehmen.
Warum bewerten Sie diese Risiken heute anders als noch vor einigen Jahren?
Die Allianz nimmt Klimaschutz seit jeher ernst: bereits seit 2012 operieren wir CO2-neutral; nicht zuletzt sind wir mit über 2,5 Milliarden Euro einer der größten privaten Investoren in Erneuerbare Energien. Während sich auf wissenschaftlicher Ebene schon lange ein Konsens über notwendige Emissionsreduktionen herausgebildet hat, zeichneten die politischen Realitäten oft ein anderes Bild. Aus unserer Sicht waren die Übereinkünfte von Paris das entscheidende politische Signal.
Das abgezogene Kapital wird doch sicher reinvestiert – wie stellen Sie hier sicher, dass Nachhaltigkeitskriterien beachtet werden?
Einerseits haben wir uns zum Ziel gesetzt, unsere Investitionen in Erneuerbare Energien mittelfristig auf mindestens fünf Milliarden Euro zu verdoppeln. Andererseits werden die Geldanlagen erstmals seit Beginn des Jahres 2016 sukzessive systematisch nach 37 Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung analysiert. Zu den Kriterien zählen unter anderem Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Datenschutz und Korruption.
Die Transparenz, die bis Mitte 2016 im gesamten Portfolio auf Basis von Daten der Ratingagentur MSCI ESG Research erreicht wird, er möglicht die gezieltere Steuerung von Chancen und Risiken. Germanwatch ist neben dem WWF und Transparency International an der Ausarbeitung dieses Ansatzes beteiligt, der auf Daten von MSCI ESG Research beruht.
Erwarten Sie, dass das Thema Dekarbonisierung auf noch breiterer Front diskutiert wird?
Das Abkommen von Paris strebt eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 °C, ggf. sogar 1,5 °C an. Dies wird eine umfassende Dekarbonisierung der globalen Wirtschaft erfordern. Das heißt, nahezu jedes Unternehmen muss sich fragen, wie es sich an die neuen Realitäten anpasst.
Als Mitglied der Portfolio Decarbonisation Coalition, die 25 Mitglieder mit über 600 Milliarden US-Dollar verwalteten Geldanlagen zählt, sind wir davon überzeugt, dass auch die Finanzindustrie einen Beitrag leisten muss und kann. Ähnlich wie der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, sehen wir als langfristig orientierter Investor in der Finanzierung der Dekarbonisierung unserer Wirtschaft eine große Chance.
Wie schätzt die Allianz das Risiko für Investitionen in Kohle (z. B. in Deutschland) ein?
Es wird weiterhin zur Veränderung von Geschäftsmodellen kommen, proaktiv und reaktiv. Es ist jedoch noch nicht ausreichend klar, wie sich diese Veränderungen auf die Finanzmärkte auswirken. Klar ist aber, dass dies ein wichtiges Thema für Investoren ist. Es ist auch begrüßenswert, dass sich Regierungen und Regulierer zunehmend mit dem Thema auseinandersetzen.
Für uns ist es nun von hoher Relevanz, die möglichen Veränderungen messbar zu machen. Auch daher haben wir uns gemeinsam mit Allianz Global Investors der 2 Degrees Investing Initiative angeschlossen, um bessere Analyseinstrumente, Investmentansätze und Erkenntnisse für das Portfoliomanagement zu entwickeln, von denen sowohl das Klima als auch unsere Kunden profitieren werden.
Interview: Jan Burck