Dekarbonisierung von unten
Dekarbonisierung von unten
Friedlicher Protest vor dem Klimagipfel: In die Menschenkette am 29. November 2015 in Paris reihten sich auch VertreterInnen von Germanwatch ein. Foto: Sönke Kreft
Das Pariser Klimaabkommen ist auch das Ergebnis einer starken zivilgesellschaftlichen Klimabewegung weltweit, die in vielfältiger Form und verteilten Rollen den notwendigen Druck von unten aufgebaut sowie Allianzen, Lösungsmöglichkeiten und Alternativen entwickelt hat. Aktionsgruppen, Protestbewegungen, Think Tanks und Lobbyorganisationen leisteten wichtige Arbeit für den Erfolg jahrelang im Vorfeld und auch während der Pariser Klimakonferenz. Die Staatengemeinschaft begrüßt im Pariser Klimaabkommen auch ausdrücklich die Aktivitäten der Zivilgesellschaft und anderer nicht staatlicher Akteure.
Paris ist ein starkes Signal für die Zivilgesellschaft, den Weg in Richtung Klimagerechtigkeit und Transformation gestärkt voranzubringen. Die Zivilgesellschaft wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Lücke zwischen den ambitionierten Langfristzielen und den nationalen Zielen der Staaten zu schließen. Auf politischer Ebene ist für entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen wie beispielsweise ein stetig steigendes CO2-Preissignal in den G20-Staaten – auch in Deutschland und der EU – zu kämpfen. Investoren sind dazu zu ermutigen, ihr Geld nur noch in Unternehmen zu investieren, die eine plausible Dekarbonisierungsstrategie vorlegen (Stichwort „Divestment“). Die Zivilgesellschaft wird bei Unternehmen nachhaltige Produktionsmuster und zukunftsfähige Geschäftsmodelle einfordern. Aus dem im Abkommen verankerten Langfristziel, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Treibhausgasneutralität zu erreichen (Netto-Null-Emissionen), entsteht eine enorme Legitimation und ein starkes Signal für NGOs, AktivistInnen und engagierte KlimaschützerInnen, jetzt noch vehementer, lauter und entschiedener aufzutreten. Die beschlossene Dekarbonisierung stärkt das politische Engagement der Anti-Kohlebewegung, die den Protest in die Tagebaue und darüber hinaus in die Mitte der Gesellschaft trägt. Fortschritte im Gebäudesektor und eine ernstgemeinte Verkehrs- und Agrarwende sind weitere Aktionsfelder.
Von Paris weht auch ein kräftiger Wind in den Rücken jener zivilgesellschaftlichen Akteure, die die Dekarbonisierung von unten durch strukturveränderndes Handeln selbst vorantreiben. Viele lokale und regionale Initiativen – wie Transition-Towns, Solidarische Landwirtschaften, Fossil-Free-Bewegungen, Energiegenossenschaften usw. – haben längst damit begonnen, mit kreativen Ideen eine Dynamik von unten für Klimaschutz zu schaffen und nachhaltige Räume denkbar und erlebbar zu machen. Der kreative Druck dieser Zivilgesellschaft drängt auch auf geeignete Rahmensetzungen, die es breiten Bevölkerungskreisen erlauben, sich auf neue Konsummuster und Lebensstile einzulassen. Dekarbonisierung braucht diesen Schwung von unten.
Alexander Reif