Der Papst fordert zum Dialog angesichts des suizidalen Kurses der Menschheit auf

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Der Papst fordert zum Dialog angesichts des suizidalen Kurses der Menschheit auf

Weitblick-Bild 1/16: Papst Franziskus

Foto: CC BY 3.0 br

Eines der erstaunlichsten Dokumente im Vorfeld des Klimagipfels von Paris war die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus. Das Papier ist von nun an nicht nur ein Stachel im Fleisch der katholischen Kirche, der größten Religionsgemeinschaft der Welt. Es ist eine gelungene Provokation für eine pluralistische Weltgesellschaft. Schon einmal, 1962 anlässlich der Kuba-Krise, richtete sich eine Enzyklika nicht nur an die Gläubigen, sondern an alle Menschen; so nun auch diese angesichts des suizidalen Kurses der Menschheit. Wenige Umwelt- und Entwicklungsbücher sind so gut lesbar wie diese Enzyklika. Dabei ist das Papier sorgfältig doppelt codiert. Immer wieder wechseln säkular-wissenschaftliche Argumente mit religiösen Begründungen derselben Thesen.

Das Papier wirft interessante Fragen auf, auch für die Umwelt- und Entwicklungsszene: Haben wir uns abgewöhnt, die wissenschaftlichen Studien über Klimawandel, Artensterben und die Kluft zwischen Arm und Reich mit dem Herzen – also mit Empathie – zu lesen? Muss die Einsicht in die zu einem großen Teil gemeinsame genetische Ausstattung von Mensch und Tier nicht dazu führen, den Begriff der Geschwisterlichkeit auszudehnen? Reichen technische und ökonomische Antworten aus? Müssen wir Klima und Umwelt nicht als Gemeingüter rechtlich schützen? Können wir uns länger eine Wegwerfgesellschaft leisten, die zahlreiche Menschen aussortiert, eins der größten Artensterben der Erdgeschichte anrichtet und als Wirtschaftswachstum feiert, wenn sie in immer größerer Geschwindigkeit wertvolle Rohstoffe in wertlosen Abfall verwandelt? Können wir uns länger die Denkfaulheit erlauben, die ökologische von der Gerechtigkeitsfrage zu trennen? Motivieren Drohbotschaften und ökologische Anreize die Menschen zum veränderten Handeln oder eher die liebevolle Resonanz mit Menschen und der Mitwelt? All dies kommt nicht im dogmatischen Gewande daher, sondern als Aufforderung zum Dialog. Jede Kultur, jede Religion solle dabei ihr Bestes zur Lösung der globalen Krisen einbringen. Viele in der katholischen Kirche reagieren bislang mit Schockstarre auf das mutige Papier eines ungewöhnlichen Papstes. Für eine pluralistische Gesellschaft ist es eine gelungene Provokation.
 

Christoph Bals

Das Germanwatch-Hintergrundpapier „Eine Gelungene Provokation für eine pluralistische Weltgesellschaft” (Januar 2016) sowie eine Kurzfassung können Sie kostenlos als PDF herunterladen (www.germanwatch.org/de/10479) oder für 8 Euro bestellen.