Reform der EU-Agrarpolitik – gute Ansätze und ein schwarzes Loch
Reform der EU-Agrarpolitik – gute Ansätze und ein schwarzes Loch
Die seit 1963 bestehende Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union wird schon lange wegen der Überproduktion von Getreide, Fleisch und Milch kritisiert. Subventionierte Exporte verdrängen vor allem Kleinbauern in Entwicklungsländern von ihren lokalen Märkten. Der zunehmende Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sowie die regional konzentrierte industrielle Tierhaltung führen in der EU zu wachsenden Umweltproblemen. Mittlerweile wurden die garantierten Preise für viele Produkte durch an die bewirtschaftete Fläche gekoppelte Direktzahlungen ersetzt. Das hat einige Probleme reduziert, aber bei weitem noch nicht gelöst. Die knapp 60 Milliarden Euro, die in der EU jährlich in die Agrarpolitik fließen, lassen sich so nicht rechtfertigen.
Daher will die Europäische Kommission die Direktzahlungen, die den größten Teil des Agrarbudgets ausmachen, stärker an ökologische und gesellschaftliche Leistungen knüpfen. Der Vorschlag beeinflusst allerdings die industrialisierte Tierhaltung nur minimal, obwohl dort mit die größten ökologischen und entwicklungspolitischen Probleme entstehen.
Das derzeitige Niveau der Fleisch- und Milchproduktion in der EU ist nur durch hohe und weiter steigende Importe von Futtermitteln möglich, deren Anbau fruchtbare Landflächen in Anspruch nimmt. Für den Sojaverbrauch der EU werden etwa 20 Millionen Hektar Ackerfläche anderer Länder genutzt. Dies wirkt sich aufgrund der dafür notwendigen Entwaldung negativ auf die biologische Vielfalt in den Anbauländern und das Klima aus. Auch in der EU nehmen in Regionen mit einer hohen Dichte industrialisierter Tierhaltung die Umwelt- und Tierschutzprobleme zu.
Schon heute produziert die EU mehr Fleisch und Milch als sie verbraucht. Ein Anstieg der Produktion ist somit nur lohnend, wenn neue Exportmärkte erschlossen werden. Damit tritt die EU weiterhin in unfaire Konkurrenz zu der oft kleinbäuerlich geprägten Landwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern, für die Tierhaltung ein großes Potenzial zur Armutsbekämpfung bietet.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur „Begrünung“ der Flächenprämien geht an diesen Problemen vorbei, da die industrialisierte Tierproduktion meist nahezu „flächenlos“ mit zugekauften Futtermitteln erfolgt. Die problematischen Aspekte der Futtermittelimporte werden nicht einmal erwähnt. Exportsubventionen jedoch sollen weiter eingesetzt werden können, um „einen angemessenen Anteil der EU am Weltagrarhandel zu sichern.“
Eine GAP, die mit den Entwicklungs-, Klima-, Umwelt- und Tierschutzzielen der EU kohärent ist, muss dafür sorgen, dass für die Tierhaltung überwiegend lokale und regionale Ressourcen angepasst und nachhaltig genutzt und dabei Synergieeffekte mit dem Ackerbau maximiert werden. Daher muss die Tierzahl verpflichtend an die landwirtschaftlichen Flächen des jeweiligen Betriebs gebunden werden, um eine zu starke regionale Konzentration zu verhindern und die Nährstoffkreisläufe schon auf Betriebsebene stärker zu schließen. Die bessere Versorgung mit heimischen Eiweißfuttermitteln und stärker geförderte standortangepasste Weidehaltung müssen dies ergänzen.
Tobias Reichert