Ein Jahr Energiewende – eine kritische Bilanz
Ein Jahr Energiewende – eine kritische Bilanz
Als Folge der Reaktorkatastrophe am 11. März 2011 in Fukushima beschloss der Bundestag unter Zustimmung fast aller Parteien den endgültigen Atomausstieg. Dies war der Startschuss für die Energiewende. Weg von Atomkraft und fossilen Energieträgern, hin zu Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und damit zu einer risikoarmen und CO2-freien Energieversorgung. International wird das deutsche Energiewende-Projekt kritisch beäugt. Kann es ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland schaffen, gleichzeitig aus den Risikotechnologien Kohle und Atom auszusteigen? Wo stehen wir knapp ein Jahr nach dem Ausstiegsbeschluss? Welche Befürchtungen sind eingetroffen und welche waren überzogen?
Strommarkt und CO2-Ausstoß
Der deutsche Strommix zeigt sich deutlich verändert. Während die Kernenergie nur noch einen Anteil von acht Prozent aufweist, konnten die Erneuerbaren in die Bresche springen und 20 Prozent des deutschen Strombedarfs decken (+3,2 Prozentpunkte). Der Anteil der fossilen Energieträger nahm, verursacht durch den Atomausstieg, leicht zu. Insgesamt konnten allerdings die CO2-Emissionen um 3,9 Prozent reduziert werden. Germanwatch fordert eine konsequente und langfristige Förderung der Erneuerbaren Energien, damit Planungssicherheit für zukünftige Investitionen in Erneuerbare Energien gewährleistet bleibt. Gleichzeitig blieb Deutschland im Jahr 2011 Netto-Stromexporteur. 3,7 Mrd. Kilowattstunden wurden trotz des Abschaltens von acht Atomkraftwerken noch exportiert.
Energieeffizienz
Im Bereich der Energieeffizienz konnten kaum Fortschritte erzielt werden. Es fehlen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um den Schatz der Energieeffizienz insbesondere bei der energetischen Sanierung der Gebäude zu heben. Deutschland blockiert hier Fortschritte in Brüssel und stellt mit nur 1,5 Mrd. Euro viel zu wenig zinsgünstige Kredite für Sanierungsmaßnahmen zu Verfügung!
Netzausbau
Die Tatsache, dass Erneuerbare Energien nicht immer an jedem Ort zur Verfügung stehen und neue Erzeugungsstandorte (z. B. Windenergie in Norddeutschland) hinzu kommen, macht das heutige Stromnetz zu einem Flaschenhals der Energiewende und einen Um- und Ausbau der Stromnetze notwendig. Germanwatch befürwortet den Netzausbau für 100% Erneuerbare Energien. Zusätzlich sollten Strategien verfolgt werden, die den notwendigen Umfang des Netzausbaus deutlich reduzieren, wie z. B. Energieeffizienz, Speichertechnologien, effizientere Stromleitungen und intelligente Netze (Smart Grids). Das NOVA-Prinzip („Netz optimieren vor verstärken vor ausbauen“) muss also unbedingt umgesetzt werden. Die Bürgerinnen und Bürger wollen verstehen, warum eine Stromleitung in ihrer Region gebaut werden soll. Deshalb fordert Germanwatch eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und Transparenz bei der Berechnung des Netzausbaubedarfs. Die Revision des Energiewirtschaftsgesetzes und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz schafften im Sommer 2011 dafür eine neue Grundlage. Gemeinsam mit anderen Organisationen brachte Germanwatch sich früh in die Diskussion ein und begleitet den weiteren Prozess aktiv. Bis zum Ende des Jahres 2012 wird sich zeigen, ob der eingeschlagene Weg von mehr Beteiligung und Transparenz auch hält, was er verspricht. Dann soll der Bundestag über einen neuen Netzausbauplan abstimmen.
Jan Burck und Katja Rottmann