Das Auge des Sturms
Das Auge des Sturms
Der Weltklimarat IPCC hat Mitte November den Sonderbericht zu Klimawandel und Extremereignissen (Special Report on Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation, kurz SREX) herausgegeben. Vorangegangen ist ein dreijähriger Prozess, in dem wissenschaftliche Veröffentlichungen zusammengetragen und analysiert wurden. Der Bericht kommt zur richtigen Zeit. 2010 als das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen ist mit seinen Überschwemmungen in Pakistan und Australien, weltweiten Dürren etwa in Russland, in Brasilien oder am Horn von Afrika, noch in unmittelbarer Erinnerung. Wetterextreme in 2011, etwa die Überschwemmungen in Thailand, verstärken die Frage: Wohin steuern wir angesichts der Klimakrise?
Projektion in die Zukunft: Klimawandel wandelt Extremereignisse
Der Bericht zeigt: Klimawandel wird Naturgefahren vergrößern. So schätzen die Autoren eine weitere Zunahme von Hitzetagen bis zum Ende des Jahrhunderts als praktisch unvermeidlich ein. Auch eine Erhöhung des Anteils der Starkregen-Ereignisse am gesamten Niederschlag ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Es gibt zwar einzelne Anzeichen, dass durch den Klimawandel weniger tropische Wirbelstürme auftreten werden, allerdings steigt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit und damit das Schadenspotenzial an. Eine Zunahme von Dürren in einigen Regionen – Mittel- und Südeuropa, südliches Nordamerika, nördliches Brasilien sowie südliches Afrika – kann schon jetzt mit höherer Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden.
Insgesamt sind die Bewertungen des Berichts jedoch sehr vorsichtig gehalten und geben in keiner Weise das gesamte Risikobild einer Welt im Klimawandel wieder. Neben generellen Schwierigkeiten, Extremereignisse in Klimamodellen abzubilden, rührt eine Unsicherheit in der Aussage aus der Unkenntnis der zukünftigen Emissionen. Die im Bericht gewählten Szenarien wurden in den letzten Jahren zunehmend von der Realität widerlegt, weltweit wird heute mehr CO2 emittiert als im schlimmsten Szenario beschrieben. Auch konnte der Bericht keine bestimmten Aussagen zu Ereignissen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit aber großen Konsequenzen machen. Diese möglichen, großflächigen Kipp-Elemente des Klimasystems, wie z. B. ein Ausbleiben des Monsuns, sind aber wiederum relevant für ein wirkliches Risikomanagement, insbesondere wenn durch die Begrenzung zukünftiger Emissionen das Unbewältigbare vermieden werden soll.
Insgesamt ist eine Schwäche des Berichts, dass er nicht darstellt, wie viel Risikozuwachs sich durch besseren Klimaschutz „vermeiden“ lassen würde (in der um 2 °C gegenüber der um 4 °C oder 5 °C erwärmten Welt). Gerade dies wäre jedoch notwendig, um langfristig am Gemeinwohl orientierte Politikentscheidungen zu ermöglichen.
Menschliche Verletzbarkeit, Prävention und Anpassung
Die meisten Opfer und die höchsten Schäden im Vergleich zur Größe der Volkswirtschaft gibt es in Entwicklungsländern. Dieses ist in erster Linie ein Ergebnis höherer Verletzbarkeit und auch Exposition, etwa durch die Besiedlung besonders gefährdeter Überschwemmungsflächen. Auch bei einem wahrscheinlichen Anstieg der Naturgefahren in der Zukunft, wird laut Bericht die Reduzierung der Verletzbarkeit und Vorsorge den wichtigsten Baustein auf lokaler Ebene darstellen. Dabei stellt der Bericht aber auch heraus, dass teilweise transformative Veränderungsprozesse in Gesellschaften erfolgen müssen, um eine ausreichende Anpassung zu gewährleisten.
Eine angemessene politische Reaktion beim Klimagipfel in Durban wäre, nicht nur die Verbindlichkeit und Ambition im Klimaschutz deutlich zu erhöhen, sondern auch im Rahmen der Anpassungsverhandlungen das Arbeitsprogramm zu Schäden und Verlusten durch den Klimawandel mit dem Ziel einer umfassenden politischen Antwort zu konkretisieren.
Sönke Kreft