Aufbruch oder Stagnation?
Aufbruch oder Stagnation?
Wohin wenn alles untergeht? Die verheerenden Überschwemmungen im Oktober 2011 in Thailand machten über 100.000 Menschen obdachlos. Dieser Mann durchquert die Fluten in Pathum Thani, nördlich von Bangkok, mit einem Floß. Foto: Voice of America
Der Klimagipfel von Durban steht am Ende eines Jahres, das nicht nur wie vorhergehende Jahre auch durch extreme Wetterkatastrophen geprägt wurde, sondern das im Hinblick auf die globale Emissionsentwicklung eine Hiobsbotschaft brachte. Global sind die Emissionen im Jahr 2010 mit ca. sechs Prozent so stark gestiegen wie nie zuvor. Das Wachstum fand vor allem in den von der Wirtschaftskrise nicht betroffenen Schwellenländern statt, allen voran in China.
Beim letztjährigen Klimagipfel in Cancún wurde das Ziel vereinbart, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 °C gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Dass die bisher versprochenen Klimaschutzmaßnahmen hierfür bei weitem nicht ausreichen, ist durch viele Studien belegt. Auch die Regierungen streiten nicht ab, dass die versprochenen Maßnahmen eher auf 3 bis 4 °C hindeuten, der reale Emissionstrend sogar auf mehr als 5 °C in diesem Jahrhundert.
Diese Realität bedeutet die Notwendigkeit von mehr Klimaschutz einerseits – und mehr Anpassung an den Klimawandel andererseits. Letzteres gilt nicht zuletzt für den afrikanischen Kontinent. Positiv ist, dass immer mehr Länder Klimaschutz und nachhaltige Energiepolitik gesetzlich verankern. Die deutsche Energiewende ist ein Beispiel. Australien hat vor kurzem einen CO2-Preis beschlossen, Südafrika verhandelt darüber, mit internationaler Unterstützung massiv die Erneuerbaren Energien auszubauen.
Die Welt ändert sich rapide
Die USA als historischer Hauptverursacher des Klimawandels sehen sich hingegen durch eine massiv angestiegene Verschuldung und Arbeitslosigkeit in einer Situation, in der zuhause aktive Klimapolitik, insbesondere aber Unterstützung für Entwicklungsländer auf der internationalen Ebene, immer schwerer durchzusetzen scheint. Die finanzpolitischen Ungleichgewichte mit China erschweren eine Klimapolitik, bei der von den USA sehr viel umfangreichere Verpflichtungen als von China erwartet werden. Die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise in Teilen der EU stellt auch die grundsätzliche Frage nach der Zukunft der EU. Die Krise droht das Klima und Energiethema in den Hintergrund zu drängen (s. auch Artikel EU-Krise als Chance für den Umbau zu einer grünen Gesellschaft). Trotz wachsender wirtschaftlicher und politischer Bedeutung der Schwellenländer scheinen diese derzeit noch eher bereit, zuhause im Klimaschutz Akzente zu setzen als international mehr verbindliche Verantwortung zu übernehmen. Zudem sind sie als Gruppe auch sehr divers.
Welche Richtung für die internationale Klimapolitik?
Viele halten den Klimagipfel von Durban bereits für gescheitert, bevor er angefangen hat; doch es gibt noch ein breites Spektrum an möglichen Ergebnissen zwischen Erfolg und Misserfolg. Die internationale Klimapolitik befindet sich aber definitiv an einem Scheideweg. Entweder es gelingt, das Fundament für die zukünftige Klimaarchitektur zu verbreitern und damit die beim letzten Klimagipfel in Cancún gelegte rundlage für eine klimapolitische Aufwärtsspirale deutlich zu stärken (siehe Grafik unten). Oder ein multilateraler Ansatz, der sich am global notwendigen Klimaschutz orientiert und von dort ausgehend die Länder in die Pflicht nimmt, wird für Jahre zurückgeworfen.
Zentrale Maßstäbe für einen erfolgreichen Klimagipfel von Durban sind daher:
- Umsetzung der Beschlüsse von Cancún als Bottom-Up-Ansatz: In Cancún (2010) wurden eine Reihe wichtiger Prozesse auf den Weg gebracht, darunter die Etablierung neuer Institutionen zu Anpassung, Technologiekooperation und Finanzierung. Hier ist insbesondere der Green Climate Fund von Bedeutung. Dessen Struktur wurde in diesem Jahr so weit ausgearbeitet, dass er nächstes Jahr seine Arbeit aufnehmen kann. Dazu muss allerdings die Vertragsstaatenkonferenz das Gründungsdokument noch annehmen.
- Die finanzielle Unterstützung für Klima und Regenwaldschutz und Anpassung in Entwicklungsländern nach 2012 muss ausgebaut und verlässlicher werden, als ein zentrales Element der Dynamisierung für die nächsten Jahre. Nur so kann man erwarten, dass diese Länder ihre eigenen knappen Ressourcen für eine zukunftsfähige Entwicklung mobilisieren. Innovative Finanzierungsinstrumente wie Abgaben/Emissionshandel auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr sind zentral und entsprechende Arbeitsprogramme sollten vorangebracht werden.
- Die rechtliche Verbindlichkeit, als Kernelement eines Top-Down-Ansatzes, muss auf ein breiteres Fundament gestellt werden, zum einen durch eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, zum anderen durch die Vereinbarung, inklusive eines konkreten Fahrplans, bis spätestens 2015 ein rechtlich verbindliches Abkommen für alle zu verhandeln. Dies wäre ein Schritt deutlich über bisherige Vereinbarungen hinaus. Die EU hat es hier zum großen Teil in der Hand, gemeinsam mit den Schwellenländern den Verhandlungen Rückenwind zu geben.
- Gleichzeitig müssen die Länder ihre Ambition für eine Dynamisierung der Ziele erhöhen, durch die Umsetzung konkreter Maßnahmen in ihrem Land, aber auch durch einen gemeinsamen, von der Wissenschaft geleiteten Überprüfungsprozess („Review“). Dem für die Jahre 2013/2014 erwarteten fünften Sachstandbericht des IPCC kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Aber auch in Vorreiterkoalitionen von Staaten oder anderen wichtigen Akteuren liegt ein großes Potenzial.
Es wird nicht den großen Durchbruch in Durban geben. Es geht eher darum, den Verhandlungsprozess auf Gleise zu setzen, auf denen es in den nächsten Jahren diesen Durchbruch geben kann. Die Vertreter aller Länder sollten sich an einen Ausspruch von Nelson Mandela erinnern: „Es scheint immer so lange unmöglich, bis es wirklich getan ist.“ Jetzt können wichtige Grundlagen dafür gelegt werden, das „Unmögliche“ in wenigen Jahren möglich zu machen.
Sven Harmeling, Christoph Bals