Grünere Agrarpolitik als wichtiger Standortfaktor
Grünere Agrarpolitik als wichtiger Standortfaktor
EU-Agrarkommissar Cioloş will die europäische Agrarpolitik grüner und gerechter gestalten. Sehen Sie ebenfalls Reformbedarf und wenn ja an welchen Stellen?
Europa hat sich viele Ziele gesteckt: Biodiversitätsstrategie, Wasserrahmenrichtlinie, Klimaschutz. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ermöglicht es uns, in 27 EU-Staaten gleichzeitig an Verbesserungen zu arbeiten – das ist ein großer Vorteil. Agrarkommissar Cioloş hat ehrgeizige Pläne für eine „grünere“ GAP formuliert. Ich unterstütze die Richtung seiner Reformen! Jetzt kommt es aber darauf an, die wichtigsten Schritte durchzusetzen. Wir müssen ökologischen Belangen mehr Platz in unserer Kulturlandschaft einräumen! Ein ausreichendes Maß an sogenannten „ökologischen Vorrangflächen“
von zehn Prozent gehört dazu. Auch müssen Zahlungen für ländliche Entwicklung konsequenter an diesen Zielen ausgerichtet werden.
Reichen hierfür die angedachten Maßnahmen, etwa das „Greening“ der Direktzahlungen (Bindung von 30 Prozent der Zahlungen an ökologische Bedingungen) und die Obergrenze für Großbetriebe aus?
Das „Greening“ ist ein erster wichtiger Schritt, um unsere Agrarlandschaft vielfältiger zu machen. Viele Landwirte denken bereits in eine ähnliche Richtung und wissen, dass auch Bienen und Feldlerchen zu ihren Produktionsflächen gehören. Die Menschen gehen mit offenen Augen durch die Landschaft und sehen in Deutschland Wiesen verschwinden und mehr Mais wachsen.
Das „Greening“ allein wird aber nicht ausreichen. Wir brauchen auch Vertragsnaturschutz, Schutz organischer Böden, Renaturierung von Fließgewässern und verbesserten Artenschutz. Wir müssen dabei nichts Neues erfinden, sondern Vieles nur anpassen und verbessern! Eine Deckelung der Direktzahlungen, wie augenblicklich in der Kommission diskutiert, halte ich übrigens für einen guten Weg, öffentliche Gelder für unsere Landwirte gerecht zu lenken.
Die EU-Kommission betont Exportchancen für die europäische Landwirtschaft und will damit sogar einen Beitrag zur Welternährung
leisten. Wie passt dies mit einer ökologischeren und gerechteren Landwirtschaft zusammen?
Den besten Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten wir, indem wir den Aufbau einer regional angepassten Landwirtschaft in den Entwicklungsländern fördern. Wir müssen darauf achten, dass Exporte aus der europäischen Landwirtschaft diese Entwicklung nicht blockieren.
Aus ökologischer Sicht ist der Export von Fleisch und Milch fraglich. Mehr Export bedeutet eine Steigerung der Produktion. Das bedeutet eine Überproduktion von Gülle und in vielen Fällen auch mehr Importe von Futtermitteln wie Soja. Die nachhaltige Produktion von Futtermitteln außerhalb der EU ist aber oft nicht gewährleistet.
Wie bewerten Sie die derzeitige Haltung der Bundesregierung bezüglich der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik?
Die zögerliche Haltung der Bundesregierung bei der Reform der Direktzahlungen ist nachvollziehbar. Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU. Ein guter Rückfluss der Gelder ist im Interesse Deutschlands. Die Gemeinsame Agrarpolitik darf aber nicht allein auf Geld reduziert werden. Die Chancen beim Schutz von Biodiversität, Klima und Wasser habe ich bereits genannt. Auch die Entwicklung benachteiligter Gebiete liegt im Interesse Deutschlands. Wir sind ein starkes Industrieexportland. Gerade deswegen ist der Erhalt gesunder Böden, reinen Wassers und artenreicher Flure ein wichtiger Standortfaktor der Zukunft. Die Rückführung der Exportsubventionen halte ich im Sinne weltweiter Gerechtigkeit für unabdingbar.
Interview: Marco Klemmt, Leonie Dorn