Europäische Agrarreform im Sinne der Gesellschaft
Europäische Agrarreform im Sinne der Gesellschaft
Foto: Fred Dott
Massentierhaltung. Dumping. Gewässerverschmutzung. Klimakiller. Landwirtschaft wird heutzutage oft mit diesen negativen Auswüchsen in Verbindung gebracht. Es sind vor allem die Folgen der industriellen Agrarproduktion, die auf Öl angewiesen ist und Bauernhöfe vernichtet.
Doch genau in diese Richtung steuert die europäische Agrarpolitik. Einerseits durch die Ausgestaltung der Märkte, wenn ohne Zustimmung der Bauern Agrarmärkte immer weiter liberalisiert werden. Die Abnehmer, also etwa Molkereien oder Schlachtereien, fusionieren und übernehmen in diesem Markt die Macht. Sie wollen billige Rohstoffe von den Bauern, um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Niedrige Erzeugerpreise in Deutschland und Dumpingexporte, auch in Entwicklungsländer, sind die Folge. Ausgerechnet dorthin, wo die lokale Landwirtschaft ein wichtiger Motor für die Armuts- und Hungerbekämpfung sein sollte.
Andererseits fördert die Agrarpolitik durch die Ausgestaltung der Agrarsubventionen die Rationalisierung auf den Höfen. Und zwar folgendermaßen:
In Deutschland erhalten die Bauern etwa 300 Euro für einen Hektar Land und müssen dafür sehr niedrige Umweltauflagen erfüllen. Egal ob beispielsweise ein 2.000 Hektar großer Betrieb fünf oder 50 Arbeitskräfte beschäftigt. Der erste Betrieb erhält also pro Arbeitskraft umgerechnet 120.000 Euro, der zweite Hof nur 12.000 Euro an Steuergeldern. Der Bauernhof mit den wenigen Angestellten steht damit im Wettbewerb besser da und kann seine Produkte billiger anbieten. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung auf Kosten der bäuerlichen Arbeitskräfte, die letztlich über den Export auch in andere Länder übertragen wird.
Eine Reform der europäischen Agrarpolitik steht vor der Tür. Der EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş wagt hierbei erstmalig den ernsthaften Versuch, die Agrarzahlungen an soziale und ökologische Auflagen zu binden.
In einem aktuell bekannt gewordenen Vorschlag der EU-Kommission für einen neuen agrarpolitischen Gesetzesentwurf soll unter anderem eine Obergrenze für die Agrarzahlungen pro Hof eingeführt werden. Flächenstarke Betriebe können Kürzungen vermeiden, wenn sie Arbeitskräfte nachweisen. Außerdem sollen bestimmte ökologische Leistungen wie etwa Fruchtfolgen erfüllt werden, sonst droht den Betrieben die Kürzung der Subvention um rund ein Drittel. Die Obergrenzen sind zwar noch viel zu hoch und die ökologischen Kriterien zu lasch, um wirklich wirksam zu sein. Aber der Paradigmenwechsel wäre bei Umsetzung dieses Vorschlags zumindest eingeleitet. Auf ungeteilte Zustimmung stößt der Vorschlag deshalb nicht: In Deutschland etwa bremsen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner und ihr Ministerium weiterhin ernsthafte Reformen.
Immer mehr deutsche Bauern und Bürger engagieren sich jedoch in der Kampagne „Meine Landwirtschaft“. Sie entwickeln bundesweit in städtischen Aktionen und zahlreichen Diskussionsplattformen auf Bauernhöfen ihre Anforderungen an die Landwirtschaft und die europäische Agrarpolitik. Der öffentliche Druck auf die Bremser in der deutschen Politik muss steigen, denn der Gesellschaft wird eines immer klarer: Artgerechte Haltung. Gentechnikfreies Essen. Überwindung von Hunger und Armut. Bäuerliche solargestützte Lebensmittelerzeugung – so sieht eine zukunftsfähige Landwirtschaft aus!
Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)