Geld regiert die Welt?
Geld regiert die Welt?
Die Nachhaltigkeitsdebatte und die Finanzen
Die Welt ist ein Dorf, dies wurde einigen Beobachtern zu Beginn des Februars 1999 einmal wieder besonders deutlich. Das Dorf heißt Davos. Dort traf sich alles, was Rang und Namen hat und mitspielen darf beim großen Roulette um Weltfinanzen und Weltwirtschaft. VertreterInnen aus dem Süden waren allerdings kaum vertreten.
Ungehemmte Geldströme
Angesichts der Brasilien- und der noch immer nicht verdauten Asienkrise stand das liebe Geld im Mittelpunkt der Diskussionen dieses Eliteforums. Und es wurden neue kritische Töne angeschlagen in Richtung auf mehr Transparenz sowie auf bessere Kontroll- und Regelungsmechanismen für die internationalen Geld- und Kapitalbewegungen. Und auch die Banken, die panikartig ihre Gelder aus Asien zurückgezogen hatten, gerieten unter Beschuß, wurde ihnen doch auch aus "erlauchtem" Munde zu geringe Bereitschaft zur Risikoübernahme vorgeworfen.
Vielen erscheint es mittlerweile so, als ob anonyme Geldströme und Investitionen mächtiger sind als noch so wohlmeinende Politiker und auf Unabhängigkeit pochende Nationalstaaten. Besorgniserregend ist insbesondere, daß die internationalen Kapitalbewegungen zunehmend die Wirtschaftspolitiken von - gerade kleineren - Volkswirtschaften gefährden. Die ärmeren Entwicklungsländer z.B. werden zum Spielball internationaler Spekulation.
Neues Verantwortungsbewußtsein
Der Titel des Stelldicheins in Davos lautete allerdings: "Verantwortungsbewußte Globalität". Dies sollte doch eigentlich hoffen lassen. Viel zu wenig, aber doch mehr als in der Vergangenheit kamen dort Aspekte der Nachhaltigkeit zur Sprache. Die Sozialdemokratie, die in Europa inzwischen so stark geworden und mitunter sogar rot-grün gefärbt ist, sorgt für eine neue Diskussion mit und in der Welt der Manager und Finanzen.
So wurde in Davos über Entschuldungsinitiativen gegenüber den ärmsten Ländern geredet, aber auch über eine neue Architektur des Weltfinanzsystems, die dieses weniger krisenanfällig macht und weniger soziale und ökologische Opfer zurückläßt. Es ist trotz dieser Lichtblicke überaus bemerkenswert, daß das Weltfinanzsystem noch am wenigsten "infiltriert" ist von der Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung. Zentrale Debattenstränge gehen - so macht es den Anschein - aneinander vorbei. Globalisierung, Großfusionen und Großspekulation finden täglich statt, doch wo ist da die Verbindung zur Nachhaltigkeitsdebatte?
Architektur der Weltfinanzen
In Davos forderten die Amerikaner und Kanzler Schröder mehr Transparenz und die Einbindung des privaten Bankensektors in die Bemühungen um die Stabilisierung der weltweiten Kapitalströme. Über die Einführung eines Krisen-Frühwarnsystems blieb man allerdings noch geteilter Ansicht, ebenso über die Einführung einer internationalen Spekulationssteuer (der sog. "Tobin Tax") und über die Einrichtung eines Internationalen Insolvenzverfahrens.
Aber es gibt tatsächlich inzwischen Kräfte, die sich ein System von festen Wechselkursen zwischen den großen Währungen vorstellen können. Selbst für den Deutsch-Banker Breuer ist es vorstellbar, daß Bandbreiten festgelegt werden, zwischen denen die Währungen sich bewegen. Und nicht zuletzt wird die Funktionsfähigkeit von IWF und Weltbank in Frage gestellt. Gesprächsbereitschaft auf allen Ebenen scheint vorhanden zu sein. Denn zwar hat sich das internationale Finanzsystem bisher insgesamt als sehr krisenresistent und anpassungsfähig erwiesen, doch gibt es aktuell enormen Zündstoff.
Asien, Rußland, Brasilien
Ein Novum in der Geschichte der Finanzmärkte: Im Januar 1999 ist in China das zweitgrößte Investmenthaus des Landes pleite gegangen. Die Asienkrise hat viele Mythen zerstört: die Tigerstaaten, Japan, China, die Philippinen - das ist nicht mehr der große Hoffnungs- und Wachstumsbereich, sondern von hier gehen Initialzündungen für negative Entwicklungen der Weltfinanzmärkte aus.
Rußland stellt einen besonderen Krisenfall dar. Ein großes Haushaltsloch und finanzpolitischer Sprengstoff tun sich auf. An der Tagesordnung sind Korruption und mafiöse Strukturen, verbunden mit großer Ungewißheit über die politische Stabilität. Die Frage ist: Kann Rußland entschuldet werden? Und wenn ja, in der gleichen Weise wie die ärmsten Länder?
Brasilien ist ein weiteres schlagendes Beispiel für die Verletzlichkeit der internationalen Kapitalmärkte. Die Schieflage dieses großen Schwellenlandes läßt Aktienkurse purzeln und AnlegerInnen in Europa, Japan und in den USA erzittern. Vor allem aber läßt die Finanzkrise die Armut in diesem größten Land Südamerikas steigen.
Agenda 21
Die Frage der Gerechtigkeit und der Solidarität gehört in den Mittelpunkt der nationalen und internationalen Nachhaltigkeitsdebatte. Es geht bei der Agenda 21 nicht nur um die zukünftigen Generationen, sondern auch um die jetzt lebenden Menschen. Die Kluft zwischen reich und arm droht dabei auch in den Ländern des Nordens immer größer zu werden.
Mehrere Kapitel der Agenda sprechen das Thema Finanzen und Nachhaltigkeit an, so das Kapitel 30 zur "Stärkung der Rolle der Privatwirtschaft" und das Kapitel 33 über "Finanzielle Ressourcen und Finanzierungsmechanismen". Im Bereich der Finanzwelt selbst tut sich nach Rio auch etwas: Banken (1992) und Versicherer (1996) haben jeweils eine Erklärung zusammen mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht, um damit ihr Engagement für eine nachhaltige Entwicklung unter Beweis zu stellen. An der praktischen Umsetzung hapert es jedoch noch. Andere Finanzanbieter setzen direkt auf ein "grünes" oder "ethisches" Investment und argumentieren verstärkt damit, daß sich damit sogar Geld verdienen ließe.
Nachdenklichkeit gefragt
Nachhaltigkeit im monetären Bereich heißt vor allem:
- international: mehr Transparenz der Finanzbewegungen und -märkte, Entschuldungsprogramme, Verhinderung von gefährlichen Spekulationsentwicklungen, Regulierung von Investitionsströmen und Schaffung von Frühwarnsystemen;
- national: Flankierung der internationalen Maßnahmen und Anpassung der Rahmenbedingungen nach 50 Jahren DM und Bundesrepublik (z.B. durch einen Ausbau des Stiftungswesens als komplementäre Maßnahme zu staatlichem Handeln);
- lokal/individuell: verantwortliches Handeln der VerbraucherInnen (bzw. seine Unterstützung, vgl. den obigen Beitrag von Max Deml), Aktivitäten im Rahmen der lokalen Agenda 21.
Die Bundesregierung sollte in diesen Bereichen neue Initiativen entwickeln, hat sie doch in ihrer Koalitionsvereinbarung die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie vorgesehen. Soziale, ökologische und ökonomisch-finanzielle Aspekte müssen dazu angemessen miteinander verknüpft werden. Und natürlich müssen Akteure aus der Zivilgesellschaft zusätzliche Impulse geben. So hat GERMANWATCH kürzlich den Bundestag aufgefordert, eine Enquete-Kommission für eine umfassende WTO-Debatte einzurichten. Die Systeme von Weltfinanzen und Welthandel benötigen neue und den gesamten Sachverstand einbeziehende Impulse.
War das Weltwirtschaftsforum in Davos also ein sinnvoller Marktplatz der Ideen und ein Rastplatz zum Nachdenken? War es damit vielleicht mehr wert als der Weltwirtschaftsgipfel in Köln im Juni dieses Jahres? Jedenfalls sind die Erwartungen an Köln im rot-grünen Deutschland hoch und sollten auch hoch gehalten werden: Erstmals bietet sich die Chance mitzuwirken an einer deutlichen Reform der Weltwirtschaft mit Rahmenbedingungen, die an der Agenda 21 orientiert sind. Und das liebe Geld sollte dabei eine eher dienende Funktion übernehmen.
Klaus Milke