Freihandel geht auf Kosten der Armen
Freihandel geht auf Kosten der Armen
Beim WTO-Treffen in Hongkong wird wieder gepokert: Wir Industrieländer liberalisieren unseren Agrarmarkt, wenn ihr Entwicklungsländer uns dafür den Markt für Dienstleistungen und Industriegüter öffnet. Deutsche Brillen und Waschmaschinen für den indischen Markt im Tausch gegen - ja gegen was? Über die im Juni 2003 beschlossenen Vereinbarungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU hinaus darf die EU-Kommission in ihren Vorschlägen nicht gehen, dafür hat EU-Handelskommissar Mandelson kein Mandat. Die EU hat den Entwicklungsländern nicht mehr viel anzubieten.
Dennoch fordern die anstehenden Abkommen der WTO weitere Zugeständnisse der Entwicklungsländer. Sie sollen ihre Märkte öffnen und noch weitergehend gegen Agrarprodukte aus dem Norden konkurrieren.
Eine Marktöffnung bei gleichen Vorraussetzungen mag noch eine gute Idee sein. Will man aber den Entwicklungsländern ermöglichen, eigene Wertschöpfungsketten aufzubauen und regionale Märkte zu entwickeln, dann ist ein Schutz dieser Märkte notwendig. Schutzzölle und Subventionen wurden von fast allen Industrie- und Schwellenländer während des Aufbaus ihrer Wirtschaft eingesetzt. Dies sollte auch den Entwicklungsländern zugestanden werden.
Existenzzerstörende Marktöffnung
Eine schnelle Marktöffnung würde viele Bauern in Entwicklungsländern ruinieren. Denn ihre Landwirtschaft ist meist nicht konkurrenzfähig: Sie ist weniger automatisiert, der Zugang zu Land, Krediten und Infrastruktur ist oft nicht gegeben. Dazu kommen unfaire Handelspraktiken der Industrieländer wie Dumping: Subventionierte Billig-Produkte wie Milch, Zucker, Getreide, Gemüse oder Baumwolle aus EU und USA überschwemmen die Märkte in Entwicklungsländern.
Ähnlich sieht es bei den sogenannten Nicht-Agrargütern aus. Dazu gehören nach WTO-Logik auch Fischerei und Forstwirtschaft. Auch hier stehen der Abbau von Handelshemmnissen wie Zöllen an. Die Preise für diese Produkte würden dadurch ebenso sinken wie im Agrarbereich, die Ausbeutung der Ressourcen durch Konzerne würde zunehmen. Dadurch ist die traditionelle Nutzung von Fischbeständen und Wäldern gefährdet. Sie sind die Lebensgrundlage für weltweit 40 Millionen selbständige Fischer und über 1,6 Milliarden Männer, Frauen und Kinder, die den Wald nutzen zum Sammeln von Feuerholz, als Medizin oder als Nahrungsmittelressource.
Fazit: Ernährungssouveränität und nachhaltige ländliche Entwicklung sind nicht im Interesse der Verhandlungsführer in Hongkong. Die Existenzgrundlage von Kleinbauern, Fischern und Waldnutzern - und damit von einem Großteil der 850 Millionen hungernden Menschen weltweit - ist in Gefahr. Für sie wäre es ein Erfolg, wenn die angestrebten Abkommen in den Bereichen Agrar, Fischerei und Forstwirtschaft so wie geplant nicht zustande kommen.
Kerstin Lanje