Artikel 6 und die Rolle des internationalen Emissionshandels
Artikel 6 und die Rolle des internationalen Emissionshandels
Beim diesjährigen Klimagipfel stehen die Verhandlungen über die Umsetzung von Artikel 6 des Pariser Abkommens im Fokus. Dieser soll die Regeln für den künftigen Handel mit Emissionen bzw. Emissionseinsparungen regeln. In Madrid soll nun ein neuer Anlauf erfolgen, nachdem beim letztjährigen Klimagipfel im polnischen Katowice die Verhandlungen insbesondere aufgrund des Widerstands Brasiliens nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.
Ob die Verhandlungen diesmal zu einem Erfolg führen, hängt aus Sicht von Germanwatch erheblich davon ab, ob es gelingt, ein robustes und transparentes Regelwerk zu beschließen. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn die Umsetzung von Artikel 6 birgt zentrale Risiken für Schlupflöcher, die das Erreichen des 1,5 °C-Ziels im Pariser Abkommen erheblich erschweren oder gar verhindern könnten. Dabei gilt es, insbesondere Doppelzählungen zu vermeiden, also dass sich sowohl das verkaufende, als auch das kaufende Land die gleiche Emissionsreduktion (bzw. Teile davon) anrechnen.
Zudem müssen bei der Ausgestaltung des neuen „Mechanismus zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung“ die Fehler der Vergangenheit vermieden werden. Zahlreiche Maßnahmen der Vorgängerinstrumente, dem „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“ und der „Gemeinsamen Umsetzung“ haben in der Realität kaum einen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Auch kam es häufig zu Verletzungen von Menschenrechten und sozialer Standards sowie zu Umweltverschmutzungen.
Emissionsreduktionszertifikate aus dem Kyoto-Regime sollten außerdem nicht für das Erreichen der künftigen nationalen Ziele anerkannt werden. Denn diese Zertifikate würden in der Zielperiode die Emissionen nur auf dem Papier, aber nicht in Realität reduzieren und somit de-facto die Klimaziele absenken. Bei einer Übernahme der bestehenden Zertifikate droht zudem wegen der potenziell großen Zahl alter Zertifikate eine Marktschwemme, die die Effektivität des neuen Mechanismus sehr beeinträchtigen würde.
Trotz erheblicher Risiken bietet der internationale Emissionshandel jedoch auch Chancen für den Klimaschutz. So könnte er zu schnelleren und weitreichenderen Emissionsreduktionen führen, die Kosteneffizienz des Klimaschutzes stärken sowie Markteintrittsbarrieren für klimafreundliche Technologien in Entwicklungsländern senken und damit die dortige Transformation vorantreiben. Dass Artikel 6 bereits im Vorfeld der COP25 eine so hohe Aufmerksamkeit erfährt, liegt nicht zuletzt an der potenziellen Schlüsselrolle, die er für künftige Ambitionssteigerungen der Industriestaaten spielen könnte.
Damit dies gelingt und der Emissionshandel nicht zum Nullsummenspiel wird, braucht es eine kluge, ambitionsfördernde Ausgestaltung. Aus Sicht von Germanwatch wäre hierfür insbesondere eine automatische, partielle Löschungsrate geeignet. Dabei kauft ein Land in einem anderen Land vermiedene Emissionen, kann aber nur einen Anteil davon für die Erreichung der eigenen nationalen Klimaschutzziele anrechnen. Die Differenz können weder das kaufende, noch das verkaufende Land nutzen. Sie wird für den globalen Klimaschutz gewonnen.
Insgesamt kann somit von einem Erfolg gesprochen werden, wenn die Ausgestaltung des Regelwerks für den internationalen Emissionshandel unter Artikel 6 zu ehrgeizigeren Klimaschutzbestrebungen führt, die Umweltintegrität bewahrt und die Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Standards garantiert.
Linus Herzig und David Ryfisch