Ein Präzedenzfall: Der Fall Huaraz wird verhandelt
Ein Präzedenzfall: Der Fall Huaraz wird verhandelt
Kurz nach dem Klimagipfel in Marrakesch wird in Deutschland ein Gerichtsverfahren zur Klimagerechtigkeit stattfinden, das auch international großes Interesse weckt. Es geht erstmals um eine zivilrechtliche Klima-Musterklage eines Einzelnen gegen ein großes energieintensives Unternehmen. Immerhin gegen die RWE AG, die wie sie sich selbst beschreibt größte CO2-Verursacherin Europas.
Am 24.11.2016 findet vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen die erste mündliche Anhörung zum Fall des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den Konzern, der in Essen seinen Sitz hat, statt. Der Kläger wird durch seine Anwältin, die bekannte Umweltjuristin Dr. Roda Verheyen, vertreten, aber auch selbst anwesend sein. Für RWE verhandelt die internationale Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Germanwatch begleitet den mutigen und weitsichtigen Peruaner von Anfang an mit Rat und Tat. Die Germanwatch-nahe Stiftung Zukunftsfähigkeit hat ihm zugesichert, für die anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten einzutreten, da er die Mittel dafür selbst nicht aufbringen könnte.
Saúl Luciano strengt dieses Verfahren nicht zu seinem eigenen Vorteil, sondern stellvertretend für viele andere an. Ihm geht es um die 20.000 Menschen in der Region der Stadt Huaraz. Ihr Besitz und Leben werden bedroht durch eine Sturzflut, die bei einem Dammbruch eines hoch über der Stadt liegenden Gletschersees eintreten würde. Da die zunehmende Klimaerwärmung die Gletscherschmelze in den äquatornahen Hochanden beschleunigt, füllt sich auch der Palcacocha-Stausee rasant und wird so zur unmittelbaren Gefahr. Ein bereits existierendes Überlauf- und Abpumpsystem ist völlig unzureichend.
Mit der Klage soll (auf der Basis des § 1004 BGB) bewirkt werden, dass der Kläger seinen Besitz ausreichend gegen eine abgehende Sturzflut schützen kann. Dazu muss am Stausee ein großer sicherer Damm mit reguliertem Ablauf installiert werden. Der Anteil von RWE an den Kosten beliefe sich auf ca. 17.000 €, die der zuständige Gemeindezusammenschluss erhalten soll, und berechnet sich aus dem Anteil des Konzerns an den historischen weltweiten CO2-Emissionen in Höhe von 0,47 Prozent.
Der Streitwert ist also recht klein. Der juristische und klimapolitische Effekt kann jedoch sehr groß werden. Erkennen die Richter nicht nur an, dass RWE als eine der großen CO2-Emittentinnen eine Mitverursacherin des Treibhauseffekts und der dadurch ausgelösten Konsequenzen ist, sondern konkret auch die Kosten für zu ergreifende Schutzmaßnahmen mitzutragen hat, würde der Fall Klimageschichte schreiben. Wie es durch die erfolgreichen Klagen wegen Gesundheitsschäden für die Tabakindustrie der Fall war, würde dies die fossile Wirtschaft weltweit schwächen.
Klaus Milke
Weitere Infos:
www.germanwatch.org/der-fall-huaraz
ARD-Film „Letzte Chance für das Klima – Worauf es jetzt ankommt“ von Christian Jentzsch: www.tinyurl.com/chanceklima