Warum diese Klage?
Warum diese Klage?
Was ist das Besondere an diesem Fall ?
Roda Verheyen: Das Besondere ist, dass ein Betroffener aus einem Entwicklungsland gegen einen Konzern aus dem Norden klagt. Zwar gab es ähnliche Klagen in den USA – dort wurden sie von den Gerichten abgewiesen, weil der Klimawandel insgesamt ein politisches Problem sei. In Europa hat es einen solchen Fall nach meiner Kenntnis noch nie gegeben.
Im Grunde sagt der Kläger etwas sehr einfaches: die RWE AG nutzt ihr Eigentum (insbesondere Kohlekraftwerke) seit Jahrzehnten, um Einkommen zu generieren – und sein Eigentum wird dadurch beeinträchtigt. Das Gericht muss zwar einige ungeklärte Rechtsfragen beantworten, aber beantragt wird nur allgemein die Verantwortlichkeit von RWE für Schutzmaßnahmen gegen die drohende Gletscherflut festzustellen.
Warum unterstützt Germanwatch das Anliegen von Saul Luciano?
Christoph Bals: Einerseits haben wir ständig Kontakt mit Menschen, deren Existenz jetzt schon – wie bei Saul Luciano – durch den globalen Klimawandel bedroht ist. Andererseits hat es die Politik weltweit bisher nicht geschafft, gegen die fossile Industrie und Lobby einen Emissionspfad durchzusetzen, der geeignet wäre, einen im großen Maße gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Deshalb kommen immer mehr verletzliche Menschen auf uns zu und fragen, ob man nicht den Druck erhöhen müsse, damit die Verursacher eine doppelte Verantwortung übernehmen: erstens dafür, die Schädigung einzustellen, und zweitens, um Verantwortung für ausreichenden Schutz oder für inzwischen unvermeidbare Schäden zu übernehmen. Aus diesem Grund unterstützen wir diesen Musterfall von Saul Luciano. Es ist beeindruckend, mit welcher Umsicht dieser Bergführer zielstrebig und bescheiden den Fall vorbereitet.
Warum ist dieser Präzedenzfall so bedeutend?
Roda Verheyen: Sollte die Klage Erfolg haben, wird sie Nachahmer nach sich ziehen. Politisch kann man sich dann fragen, ob es sinnvoll ist, sich zwischen Privaten vor nationalen Gerichten um Kosten zu streiten, wenn das Problem eigentlich auf globaler Ebene gelöst werden könnte, etwa durch einen sinnvollen Mechanismus für Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und Schadensausgleich. Hat die Klage Erfolg, wird sie auch der Industrie sehr klar machen, dass man das Zwei-Grad-Limit ernst nehmen muss – sonst gehen die Folgen des Klimawandels ja ins Unbezifferbare.
Sollte die Klage keinen Erfolg haben, zeigt sie dennoch sehr klar, welche realen Probleme heute schon wegen des Klimawandels auftreten. Kann man die Betroffenen allein stehen lassen? Ist das gerecht? Wohl kaum.
Welche politischen Konsequenzen hätte es, wenn die Klage erfolgreich ist?
Christoph Bals: Eine erfolgreiche Klage würde viel Rückenwind für die Verhandlungen um „Schäden und Verluste“ bei den UN-Klimaverhandlungen erzeugen. Bisher ist das ein Thema voller Tabus. Aber bei erfolgreichen Klagen würde es auch für Länder mit vielen Verursachern rational werden, nicht auf eher zufällige Klagen zu warten, sondern eine grundsätzliche Regelung hinzubekommen.