Germanwatch-Konzept für eine neue Agrarpolitik der Europäischen Union

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Germanwatch-Konzept für eine neue Agrarpolitik der Europäischen Union

Weitblick 3/2017 Kennzeichnungspflicht

Um die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen zu können, muss sich die Landwirtschaft auch in Deutschland und der EU grundlegend verändern. Die landwirtschaftlichen Betriebe können das nur dann leisten, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen und höhere Kosten einer nachhaltigeren Erzeugung künftig gedeckt werden. Eine grundlegende Veränderung kann nur auf europäischer Ebene erfolgen, da die EU eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) verfolgt, an die Mitgliedstaaten wie Deutschland gebunden sind. Bislang wird versucht, zugleich Ziele wie Umweltschutz und ländliche Entwicklung zu verfolgen sowie Exporte zu erleichtern. Die fehlende Kohärenz geht meist auf Kosten der Nachhaltigkeit. So sind die Ausfuhren in den letzten Jahren angestiegen, die Zahl der Betriebe und die Beschäftigung im ländlichen Raum gehen unterdessen drastisch zurück, immer mehr Arten gehen verloren und Gewässer und Klima bleiben belastet.

Verbraucherwünsche und öffentliche Förderung müssen Hand in Hand gehen

Im Zentrum der Germanwatch-Perspektive für eine Neue Agrarpolitik steht Transparenz, damit VerbraucherInnen erkennen, wer ihre Lebensmittel wie erzeugt hat. Öffentliche Mittel sollen gezielt an Betriebe fließen, die sich mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz, Tierwohl und Quali tät verbessern wollen. Dazu sollen – ähnlich wie bei der Eierkennzeichnung – alle Lebensmittel EU-weit in die Kategorien 0,1,2,3 eingeteilt und gekennzeichnet werden. Allerdings sollen damit nicht nur bestimmte Haltungsformen, sondern die Nachhaltigkeit der Erzeugung insgesamt kenntlich gemacht werden. Die Ziffer 0 entspricht den Anforderungen des EU-Ökolandbaus. Die Ziffern 1 und 2 kennzeichnen Produkte von Bauernhöfen mit geringerem Pestizideinsatz, tierfreundlicher Weidehaltung, mehr Platz je Tier im Stall und wenig Antibiotikabedarf. Die Ziffer 3 zeigt an, dass ein Produkt von Agrar- betrieben stammt, die lediglich gesetzliche Mindestanforderungen einhalten. Ein Kürzel für die regionale Herkunft findet sich neben dem Code – genau wie heute schon beim Ei. So können KonsumentInnen die aus ihrer Sicht „besten Bauern“ und regionale Lebensmittel erkennen und zu deren Wertschöpfung beitragen und Produkte mit der Ziffer 3 bewusst meiden. Die mit dieser Ziffer gekennzeichneten Eier aus Käfighaltung sind inzwischen fast ganz aus den Regalen verschwunden. Umfragen zeigen, dass neun von zehn KonsumentInnen in Deutschland bereit sind, für mehr Tierschutz auch einen höheren Fleischpreis zu zahlen. 82 Prozent finden es wichtig, Informationen zu Haltungsbedingungen direkt auf der Verpackung zu finden.

Die Zahlungen aus dem öffentlichen Haushalt sollten sich ebenfalls an diesen Kategorien orientieren. Perspektivisch wird die Förderung für Betriebe mit niedrigen Standards reduziert und läuft schließlich ganz aus. Gleichzeitig werden Betrieben zuverlässig Anreize geboten, wenn sie ihr Erzeugungssystem auf eine höhere Stufe weiterentwickeln und halten wollen, zum Beispiel von Stufe 3 mit industrieller Schweinehaltung etwa auf Stufe 2 mit weniger Tieren und ohne Gentechnik.

Den LandwirtInnen bietet sich so durch private Nachfrage und öffentliche Förderung ein verlässlicher Rahmen für eine nachhaltigere Erzeugung. Die Ziffern 0 und 1 garantieren Standards, die auch auf internationalen Märkten Erfolg versprechen – aber nicht durch Billigpreise, sondern eine besondere Qualität.
 

Reinhild Benning & Tobias Reichert

Positionspapier von Germanwatch: www.germanwatch.org/de/14192

Die Landwirte selbst sind mehrheitlich für Kennzeichnungspflichten und damit eine höhere Transparenz.
Quelle: Repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag von Germanwatch und www.wir-haben-es-satt.de;
Januar 2016 (Grafik siehe Analyse „Vorschläge für eine Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik“,
www.kurzlink.de/GAPAnalyseHaeusling, S. 49).

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