ES geht SO nicht!
ES geht SO nicht!
Beim Klimagipfel im japanischen Kyoto befragte die Umweltorganisation Friends of the Earth die anwesenden Delegierten und Beobachter: "Welche Unternehmen(sverbände) haben die größten Anstrengungen unternommen, die Klimaverhandlungen zu stoppen und den geringsten Fortschritt gemacht, das Klima zu schützen?" Exxon, in Deutschland als Esso bekannt, kam der zweifelhafte Ruhm zuteil, zweiter dieser Hitliste zu werden. Zugleich ist Exxon eines der ganz großen und aktiven Mitglieder der Global Climate Coalition, die die Liste anführte. Diese Unternehmerlobby wurde eigens 1993 zu dem Zweck gegründet, internationalen Klimaschutz zu verhindern und zu verzögern.
Antikampagne
In den USA gehörte Exxon vor dem Klimagipfel in Kyoto im Dezember 1997 als Mitglied des American Petroleum Institutes zu den Finanziers einer gewaltigen 13-Millionen-Dollar-Werbekampagne. Alle paar Minuten wurde den Zuschauern in einem der Fernsehkanäle eingeredet, wie gefährlich Klimaschutz für die Volkswirtschaft und einzelne Verbraucher sei: Energie werde teurer, Arbeitsplätze gingen verloren, hieß es da. Kein Wort davon, daß weniger Energieverbrauch auch weniger Kosten und weniger Krisenanfälligkeit bedeutet.
Wenige Industrieländer, darunter die USA - so die Kampagne - hätten weltweit die Last des Klimaschutzes zu tragen. Daß vor allem die Entwicklungsländer die Last des globalen Klimawandels zu tragen haben und die USA weltweit ein Viertel der vom Menschen verursachten Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, wurde nicht erwähnt. "Amerikaner zahlen in Zukunft mehr für alles, was Energie braucht, vom Transport zur Produktion. Aber 132 der 166 Länder bei den Klimaverhandlungen, einschließlich Indien, China und Mexiko, übernehmen keine Verpflichtungen" hieß es da. Daß diese 132 Länder nur für knapp 10 Prozent der in der Atmosphäre angehäuften Treibhausgase verantwortlich sind, wurde bewußt verschwiegen. Ein Kyoto-Abkommen, so die Kampagne, "schadet den Amerikanern und hilft niemandem". Wem die Kampagne helfen sollte, ist hingegen klar ersichtlich.
Im Mai 1998 wurde bekannt, daß dasselbe Institut eine weitere 6-Millionen-Dollar-Kampagne plant, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Klimawissenschaft zu unterminieren. Einer Zeitung wurde das Strategiepapier zugespielt. Darin heißt es: "Der Sieg ist dann erreicht, wenn die Bevölkerung und die Medien 'verstehen', wie unzuverlässig die Klimawissenschaft ist."
Spendenfreude
Greenpeace hat errechnet, daß Exxon in den Jahren 1991-1996 fast zwei Millionen Dollar an die US-Politik gespendet hat. Das Unternehmen ist damit nach Chevron der größte Spender aus der Ölbranche. 87 Prozent der Gelder gingen an die gegenüber dem Kyoto-Abkommen sehr kritischen Republikaner, nur 13 Prozent an die eher klimaschutzfreundlichen Demokraten. Greenpeace schaute sich auch die Spenden an die US-Senatsmitglieder, die in drei für den Klimaschutz zentralen Ausschüssen des Senats sitzen, näher an. Mehr als ein Drittel der entsprechenden Senatoren erhielt in dem Sechsjahres-Zeitraum eine seiner drei größten Spenden von Öl- oder Gasgesellschaften.
Freunde im US-Senat
Wenn man diese Zahlen liest, versteht man eher, warum der US-Senat in geradezu irrationaler Weise den internationalen Klimaschutz blockiert; warum er die Argumente der Anti-Klimaschutzlobby in zwei zentralen Punkten übernommen hat: Die USA dürfe das Kyoto-Abkommen nur ratifizieren, wenn auch wichtige Entwicklungsländer aussagekräftige Verpflichtungen übernehmen; und wenn der Nachweis geführt sei, daß Klimaschutz die US-Wirtschaft nicht schädige.
Gemeinsam mit Mobil und Texaco sowie dem australischen Unternehmen Broken Hills Propriety hat Exxon auch ein sehr zweifelhaftes australisches ökonomisches Modell mitfinanziert, das die negativen wirtschaftlichen Folgen von Klimaschutzstrategien aufzeigen soll. Die Szenarien dieses Wirtschaftsmodells spielten eine wichtige Rolle, um die destruktive Rolle Australiens bei den Klimaverhandlungen zu untermauern. Das Ergebnis: Australien hat von allen Industriestaaten das am wenigsten ehrgeizige Ziel erhalten, sie dürfen ihre Emissionen zwischen 1990 und der Zielperiode 2008-2012 sogar um 8 Prozent steigern.
Nun ist von einem der größten Ölunternehmen der Welt nicht zu erwarten, daß es laut "Hurra!" schreit, wenn der Klimaschutz es notwendig macht, daß in Zukunft neben Kohle auch weniger Öl verkauft und verbrannt wird. Exxon-Vice-Präsident R.E. William betonte kürzlich in New York, Exxon sei "ein verantwortlicher Umweltbürger". Dazu würde gehören, daß Exxon die Verantwortung für Folgen seiner Aktivitäten übernimmt. Und bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die letzten Monate haben gezeigt, wie anfällig gerade Entwicklungs- und Schwellenländer für Wetterextreme sind. Ungewöhnliche Dürren und verheerende Waldbrände in Indonesien, Malaysia und Brasilien. Riesige Überschwemmungen in China. In Bangladesh waren sogar 80 Prozent des Landes unter Wasser. Einen globalen Klimawandel in Kauf zu nehmen, bei dem ein starker Anstieg solcher Wetterextreme sehr wahrscheinlich ist, und wirksame Gegenmaßnahmen zu blockieren ist schlichtweg zynisch.
Exxon/Esso und die Global Climate Coalition verfolgen aber eine solche Strategie: sie versuchen, die internationale Klimawissenschaft in Mißkredit zu bringen. Sie fordern Industrieländer auf, nur dann aktiv zu werden, wenn auch die Entwicklungsländer mit ihrem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen und Treibhausgasausstoß Klimaschutzverpflichtungen auf sich nehmen. Sie betonen einseitig und übertrieben negative ökonomische Folgen einer aktiven Klimaschutzpolitik. Dieser Druck behindert zügige Klimaverhandlungen, z.B. jetzt in Buenos Aires. Niemand fordert, daß Exxon von jetzt auf morgen aus dem Ölgeschäft aussteigt. Wichtig aber wäre, daß schnell ein wachsender Anteil der Neuinvestitionen nicht mehr in Öl, sondern in Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und - übergangsweise - in Gas fließt. Bereits 1996 riefen mehr als 70 Versicherungsunternehmen, die in der Versichererinitiative des UN-Umweltprogramms zusammengeschlossen sind, die Ölgesellschaften auf, ihre Neuinvestitionen verstärkt in diesem Sinne umzulenken. Exxon/Esso finanziert lieber die Gegenlobby, die einen solchen Umbau verhindern soll.
CB