KlimaKompakt Nr. 74 zum 30-Prozent-Ziel der EU
Editorial
Europas Klimaschutzziel: Zeit für 30 Prozent
Am Freitag (9.3.12) berät der Umweltministerrat über eine Erhöhung des Emissionsreduktionsziels bis 2020 von derzeit 20 auf 30 Prozent. Ein Beschluss in den nächsten Monaten ist nicht nur entscheidend, um das europäische Klimaschutzziel von 80-95 Prozent bis 2050 erreichen zu können. Das Emissionshandelssystem, das Flaggschiff der europäischen Klimaschutzstrategie, steht auf dem Spiel. Ohne die notwendige Zielverschärfung sendet der inzwischen marginale CO2-Preis keine Signale für die dringend notwendigen Investitionen aus. Zugleich ist das von den Auktionierungserlösen gespeiste Finanzierungsmodell für die deutsche Energiewende und den internationalen Klimaschutz grundlegend gefährdet. Nach langem Zögern tendiert Deutschland – mit vielen anderen EU-Staaten – vorsichtig dahin, das 30-Prozent-Ziel zu unterstützen. Doch ein Veto droht aus Polen und anderen osteuropäischen Mitgliedsstaaten. „Nur auf Ebene der Regierungschefs kann das gelöst werden“, signalisiert die deutsche Botschaft in Warschau. Die Kanzlerin ist gefragt. Sie muss erklären, wie wichtig die Zielerhöhung für 2020 sowie Ziele für 2030 und 2040 sind.Andererseits muss sie dies in eine Strategie einbetten, die – auch für Polen – zu mehr Energiesicherheit, Investitionen und Arbeitsplätzen führt.
Christoph Bals, Oldag Caspar, Tobias Pforte-von Randow, Susan Weide
Warum ein 30-Prozent-EU-Klimaziel für 2020?
Die EU hat sich 2008 verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken. Vier Jahre (und eine Wirtschaftskrise später) wird deutlich: Dieses Ziel war zu niedrig. Wenn das EU-Klimaziel für 2020 nicht auf mindestens 30 Prozent angehoben wird, bedeutet das zahlreiche Nachteile für die EU, Deutschland und den Klimaschutz.
30-Prozent-Ziel: Faire Kosten- und Nutzenverteilung möglich
Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise und die damit verbunde-nen Emissionsreduktionen ist das 2008 vereinbarte Ziel der EU, Emis-sionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu reduzieren, heute schon in Reichweite. Ein 30-Prozent-Ziel für 2020 ist nicht nur realistisch, sondern nach Analysen der Kommission auch für alle Mitgliedstaaten günstiger als angenommen. Die proportional höheren Investitionen in Mitgliedstaa-ten mit geringerem Einkommensni-veau könnten u. a. durch das Beisei-telegen von Zertifikaten („Set Asi-de“) ausgeglichen werden. Germanwatch dokumentiert Auszüge aus dem Arbeitspapier der EU-Kommission zu den Auswirkungen eines gesteigerten Emissionsreduktionsziels auf die Mitgliedstaaten (vom 1.2.2012).
Schnelle Reform des Zertifikatehandels unabdingbar
Nicht nur die europäischen Finanzen, auch der EU-Emissionshandel steckt in einer tiefen Krise. Es bedarf dringend kurz- und langfristiger Lösungen, um das Herzstück der EU-Energie- und Klimapolitik zu retten. Sonst drohen hohe Extrakosten und ein Glaubwürdigkeitsverlust der EU. Germanwatch dokumentiert Auszüge aus einem Artikel von Thomas Spencer und Emmanuel Guérin (beide Institut du Développement durable et des relations internationales, IDDRI; Spencer arbeitete von 2008 bis 2010 als Klimapolitikexperte bei Germanwatch)