Verdrängung und Resignation – oder Hoffnung, Mut und Handeln?
Verdrängung und Resignation – oder Hoffnung, Mut und Handeln?
Illustration: Benjamin Bertram
Das Ausmaß und die möglichen Folgen von Klimaüberhitzung und Biodiversitätsverlust sowie die Dringlichkeit des Handelns sind in den letzten Jahren immer präsenter geworden. An den meisten Menschen geht das auch emotional nicht spurlos vorbei.
Wie wir auf die Klimaszenarien der Wissenschaftler: innen reagieren, hängt stark von unserem sozialen Umfeld ab. Unsere Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen beeinflusst sowohl unsere Wahrnehmung von Bedrohungen (Wie reagieren meine Freund:innen und Kolleg:innen?), als auch unsere Einschätzung von Handlungsmöglichkeiten und ihrer Wirksamkeit (Können wir diese Krise gemeinsam bewältigen? Lohnt es sich, für Klimaschutz zu kämpfen?). Diese
Einschätzungen beeinflussen maßgeblich unsere emotionale Reaktion und unser darauffolgendes Verhalten – inwiefern wir also politische Maßnahmen für angemessen halten, wie wir wählen, oder ob wir uns sogar selbst aktiv engagieren.
Neurobiologische Reaktion aufGefahren
Evolutionär bedingt lassen sich reflexartige Reaktionen auf eine lebensbedrohliche Gefahr – vor Tausenden von Jahren zum Beispiel der Angriff eines wilden Tiers – in drei Kategorien unterteilen: kämpfen (Fight), flüchten (Flight) oder erstarren (Freeze). Diese reflexhaften Reaktionen sind bis heute in unserem Hirnstamm verankert. Anders als bei einem Angriff durch ein wildes Tier muss unser vegetatives Nervensystem heute jedoch meist nicht innerhalb weniger Sekunden mit vergleichbaren Reflexen auf die Klimakrise reagieren. Anders als bei einem Angriff ist die Gefahr aber auch nicht nach wenigen Minuten vorbei. Daher müssen wir Wege finden, dauerhaft und gesund mit unseren emotionalen Reaktionen auf diese Krisen umzugehen. Denn unsere mehr oder weniger bewussten Fight-, Flight- und Freeze-Strategien im Umgang mit der Klimakrise beeinflussen unser persönliches und politisches Handeln.
Fight-, Flight- und Freeze- Strategien im Umgang mit der Klimakrise
Förderlich im Einsatz gegen die Klimakrise und für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen sind vor allem den „Fight“-Reaktionen ähnliche Strategien. Mit ihnen überführen wir negative Emotionen wie Angst in Anbetracht von zunehmenden Extremwetterereignissen oder Wut in Bezug auf das zögerliche Handeln von Politiker:innen in eine eigene Handlungsmotivation. Die Folge kann sein, dass wir uns im Alltag ein klimaschützendes Verhalten angewöhnen, bei Wahlen ein entsprechendes Häkchen setzen und uns aktiv engagieren. Angst, Trauer und Wut sind also nicht nur sehr natürliche Reaktionen, wenn Menschen globale Herausforderungen wie die Klimakrise ungeschönt wahrnehmen. Sie können auch zum Handeln anspornen. Andauernde Fight-Reaktionen können aber auch ermüden oder zu einer Romantisierung von immer heftigeren Protestaktionen führen, die nur noch bedingt zu Lösungen beitragen.
In den letzten Jahren ist der Begriff „Klimaangst“ neu aufgekommen. Wir schlagen vor, ihn mit Vorsicht zu verwenden, denn er vermittelt den Eindruck, dass es sich bei der Sorge um die Klimakrise um ein persönliches psychisches Problem handele – ähnlich wie Angststörungen, die in der klinischen Psychologie definiert sind. So werden Sorgen, die viele Menschen aufgrund einer realen globalen Bedrohung haben, pathologisiert. Um die Klimakrise aufzuhalten, müssen wir jedoch nicht unsere Emotionen bekämpfen, sondern die Ursachen.
Obwohl sie zum Handeln motivieren können, sind Angst, Wut und Trauer natürlich auch belastende Emotionen. Insbesondere, wenn sie länger anhalten, können sie uns „lähmen“ anstatt uns zu motivieren. So eine „Freeze“-Reaktion kann sich dann als Resignation äußern. Sie tritt verstärkt auf, wenn wir das Gefühl haben, wir könnten nichts mehr verändern, die Klimakrise lasse sich nicht mehr aufhalten, zu vielen Menschen sei Klimaschutz egal oder unser Verhalten habe keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge. Ein solches Ohnmachtsgefühl verhindert, dass wir aktiv werden. Negative Emotionen in Anbetracht der Klimakrise können aber auch „Flight“-Reaktionen in uns auslösen, zum Beispiel ein Verdrängen oder Verharmlosen der tatsächlichen Bedrohung. In diesem Fall lassen wir Gefühle wie Angst, Wut oder Trauer nicht zu, sondern entziehen uns ihnen. Die Flucht in andere Themen, in verstärkten Konsum und in einfache Lösungen (die Menschheit wird auch hierfür eine technische Innovation finden), das Verdrängen großer Fragen (Welche Werte sind mir wichtig?) und das Leugnen der eigenen Verantwortlichkeit bis hin zu einem Anzweifeln von Fakten (vielleicht hat die Wissenschaft sich ja geirrt) können weitere Folgen sein.
Ein resilienter Umgang mit Emotionen
Wie lassen sich also Emotionen und ein Umgang damit befördern, der zu informiertem und strategischem Handeln motiviert? In der Bildungsarbeit, aber auch im Journalismus, ist es zentral, auf die Vermittlung von mitunter sehr bedrückenden Fakten Lösungsansätze folgen zu lassen. Engagement-Ideen und deren wirksame Umsetzung sollten in den Mittelpunkt gerückt werden, damit Menschen nicht in Resignation verfallen. Gemeinschaften, in denen eine vertrauensvolle Atmosphäre herrscht, können außerdem einen Austausch über Emotionen ermöglichen, der hilft, sich von „Freeze“- oder „Flight“-Reaktionen zu lösen. Auch die Auseinandersetzung mit den Emotionen und Bedürfnissen derer, die sich gegen die notwendige Transformation stellen, kann ein wirksamer Impuls zum wirkungsvollen Handeln – und zu wichtigen neuen Formen der Kooperation sein. Indem Medien Erfolgsgeschichten aufgreifen, in denen Menschen durch ihr gemeinsames Engagement einen Unterschied gemacht haben, können sie anderen helfen, Hoffnung wiederzugewinnen und selbst aktiv zu werden. Hier haben Medien eine große Verantwortung, denn sie können wählen, über welche Perspektiven sie berichten.
Hoffnung durch Handeln oder Handeln durch Hoffnung?
Bei der Frage, wie wir von negativen Emotionen ins Handeln kommen können, spielt Hoffnung eine besonders wichtige Rolle. Ob wir aktiv werden und uns engagieren, hängt stark davon ab, ob wir glauben, dass eine nachhaltige Zukunft erreichbar ist und unser Engagement etwas dazu beitragen kann. Verorten Kampagnen, Medien, Entscheidungsträger: innen oder wir selbst die Verantwortung für den Klimawandel zu stark bei individuellem Alltagsverhalten, führt dies häufig zu Resignation, da die erwartete Wirkung begrenzt ist und nachhaltiges Verhalten in nicht nachhaltigen Strukturen sehr schwierig sein kann. Ideen, wie wir uns gemeinsam mit Mitstreiter: innen transformativ für nachhaltigere Strukturen in unserem Umfeld einsetzen können, passen dagegen eher zum Ausmaß globaler Herausforderungen, als allein auf Tipps zur Reduktion unseres persönlichen Fußabdrucks zu setzen. Sie geben uns eher Hoffnung, etwas verändern zu können und motivieren uns in der Folge stärker zum Handeln. Erleben wir politische Wirksamkeit in einer Gruppe, kann das unsere Ängste und Sorgen eindämmen und Hoffnung machen. Gemeinsames Engagement, das politisch oder im eigenen Umfeld die Weichen für die notwendige Transformation zu einer sozial und ökologisch gerechteren Gesellschaft stellt, ist also nicht nur gut für die Gesellschaft, sondern hilft auch, aus negativen Emotionen Handlungsmotivation entstehen zu lassen.
Marie Heitfeld, Christoph Bals