Transformatives Engagement für den Wandel
Transformatives Engagement für den Wandel
Mit transformativem Engagement können wir dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit der neue Standard wird – unsere Handlungsoptionen dafür sind vielfältig. Illustration: Benjamin Bertram
Die Wahlen 2021 stellen entscheidende Weichen für oder gegen Klimaschutz, Artenschutz und Stärkung demokratischer Teilhabe. Der Stimmzettel ist ein zentrales Instrument, um Politik mitzugestalten. Die geringe Stimmenzahl, die in den USA zwischen Trump und Biden den Ausschlag gab, zeigte das erneut. Neben politischen Wahlen gibt es viele weitere politikrelevante Handlungsmöglichkeiten, wie etwa die Aktionen, auf die wir in dieser Zeitung aufmerksam machen.
Damit sich die Strukturen ändern
Immer mehr Menschen wollen sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Dabei denken viele an ihren eigenen sozialen und ökologischen Fußabdruck. Doch dieser hat auch Kehrseiten. Oft genug nutzen Unternehmen und Politik den Hinweis auf persönliche Handlungsmöglichkeiten, um die Verantwortung an die Verbraucher:innen abzugeben, anstatt selbst die notwendigen Rahmenbedingungen für nachhaltige Mobilität, Ernährung oder Energie zu schaffen. Aber ohne diese politischen Rahmensetzungen hat das wünschenswerte Engagement der Einzelnen oft gar keine reelle Chance, die notwendige Wirkung zu entfalten. Solange etwa Unternehmen nicht offenlegen müssen, ob ihre Produkte von der Herstellung bis zum Ladentisch die Menschenrechte oder das Klima gefährden, solange Preise nicht die ökologische und soziale Wahrheit sagen, solange Züge mit Kohlestrom fahren, reichen individuelle Konsumveränderungen nicht aus. Was wir zusätzlich brauchen, ist ein Engagement, das darauf abzielt, die Weichen in Unternehmen, Organisationen oder in der Politik neu zu stellen.
Auf unseren Handabdruck kommt es an
In unseren (Hoch-)Schulen, Unternehmen, Vereinen, Religionsgemeinschaften, Städten und Kommunen können wir ein Umsteuern anregen: Ist dort die nachhaltigere Option für Fortbewegung, Stromversorgung, Ernährung oder Finanzanlagen schon die kostengünstigere oder der Standard? Gemeinsam mit Mitstreiter:innen können wir uns dafür einsetzen, dass (echter) Ökostrom beim städtischen Stromanbieter zum Standardangebot wird, durch Bürgerentscheide den Ausbau des örtlichen Radnetzes unterstützen oder wirkungsvolle Nachhaltigkeitskriterien für Geldanlagen der Religionsgemeinschaft oder Hochschule einfordern. Je größer der Handabdruck ist, den wir mit unserem transformativen Engagement hinterlassen, desto einfacher machen wir es anderen Menschen, auf einen kleinen sozialen und ökologischen Fußabdruck zu achten.
Bildung als Säule einer zukunftsfähigen Gesellschaft
Um Veränderungen für transformatives Handeln zu unterstützen, gilt es auch, Lehrpläne in Schulen und Hochschulen zu entstauben und auf ihren Beitrag zum Schutz der Grundrechte, zu mehr Menschlichkeit, Gerechtigkeit und zum Schutz der Lebensgrundlagen zu überprüfen. Bildung für nachhaltige Entwicklung (kurz „BNE“) muss gemeinsam mit Lernenden reflektieren, was es heißt, sich über ihren eigenen Fußabdruck hinaus in ihrem Umfeld für nachhaltigere Rahmenbedingungen einzusetzen. Ideen, strategische Tipps, Ausdauer, Verbündete, gute Beispiele und Bildungsangebote können dabei inspirieren und notwendige Fähigkeiten vermitteln, wie etwa systemisches Denken oder das Sprechen mit Entscheidungsträger:innen.
Das neue UNESCO-Programm „BNE 2030“ – Bildung für mehr Nachhaltigkeit
In diesen Tagen startet die UN-Bildungsorganisation UNESCO ein neues internationales Programm „BNE 2030“. Den Auftakt macht eine internationale Konferenz in Berlin vom 17. bis 19. Mai. Das Programm fördert nicht nur mehr Bildungsanstrengungen, sondern will dazu beitragen, die globalen Nachhaltigkeitsziele (auch „Sustainable Development Goals“ oder kurz „SDGs“) umzusetzen. Das Programm fordert unter anderem: „BNE hat die nicht-nachhaltigen Produktionsweisen der derzeitigen Wirtschaftsstrukturen direkter zu beeinflussen“ und: „BNE in Aktion ist im Grunde Bürger:in-sein in Aktion“. Das UNESCO-Programm hat Potenzial, zivilgesellschaftliches Engagement weltweit zu stärken. Lernen und Handeln für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und den Schutz von Menschenrechten steht dabei im Mittelpunkt. „BNE 2030“ geht mit seinem handlungsorientierten, politischen Profil über das hinaus, was heute in den meisten Bundesländern und in vielen Bildungsinstitutionen gelebt wird. Aufgabe der Bildungsministerien und auch der Bildungsakteur:innen außerhalb von Schule und Hochschule ist nun, ihre Bildungsinhalte im Licht der globalen Nachhaltigkeits- und Klimaziele an diesen notwendigen neuen Anspruch anzupassen.
Was Sie in diesem WEITBLICK erwartet
Erfahren Sie mehr über transformatives Engagement und das Potenzial des neuen UNESCO-Programms „BNE 2030“ (Seite 4). Wir diskutieren außerdem, welche Rolle Emotionen im Zusammenhang mit globalen Krisen spielen und wann sie uns zum Handeln motivieren (Seite 2). Darüber hinaus haben wir Expert:innen aus Bildung und Wissenschaft gefragt, was Menschen brauchen, um sich wirkungsvoll für eine nachhaltige Zukunft
einzusetzen (Seite 4). Sie wollen Ihren eigenen Handabdruck vergrößern und andere motivieren, es Ihnen gleich zu tun? Auf Seite 3 finden Sie praktische Anregungen. Stefan Rostock, Marie Heitfeld
Unsere Gesellschaften transformieren – mit Bildung
Um nachhaltige Entwicklung zu erreichen und die Klimakrise abzumildern, brauchen wir eine massive Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft weltweit. Dafür müssen wir uns von Lebensweisen lösen, die die planetaren Grenzen verletzen. Bildung und Lernen sind für diesen Wandel entscheidend.Deshalb zielt das neue Programm der UNESCO „BNE 2030“ darauf ab, Entscheider:innen, Bildungseinrichtungen, Lehrer:innen, Jugendliche und Vereine dafür zu mobilisieren, dass sie die Kenntnisse, Fähigkeiten, Werte und Einstellungen, die für nachhaltige Entwicklung nötig sind, vermitteln und anwenden.
Lernen, nachhaltig zu leben – das meint nicht nur Veränderungen im persönlichen Bereich. Es meint vor allem auch aktives bürgerschaftliches Engagement. Dazu gehört auch ein Verständnis dafür, dass wir Wirtschaftsstrukturen brauchen, die den Planeten schonen, indem sie weniger auf Wachstum abstellen. Beides zu stärken und in der Umsetzung einzuüben, ist ein grundlegendes Anliegen der UNESCO.
Die UNESCO wird ihr neues Programm weltweit mit vielen verschiedenen Partner:innen umsetzen. Die deutsche Bundesregierung hat sich offiziell der Bildung für nachhaltige Entwicklung verpflichtet und die deutsche Bildungslandschaft zeichnet sich durch eine Vielfalt von Akteur:innen in dem Feld aus. Wir sind dankbar, dass Deutschland als Schlüsselakteur in dem Bereich die „BNE 2030“-Auftaktkonferenz vom 17. bis 19. Mai veranstaltet.
Alexander Leicht,
Referatsleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung, UNESCO