Das perfekte Klima-Verbrechen?
Das perfekte Klima-Verbrechen?
Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen verursachen einen ständig steigenden Ausstoß an Treibhausgasen. Es mehren sich die Indizien dafür, daß mit der globalen Erwärmung auch eine deutliche Zunahme der Wetterkatastrophen - etwa Stürme, Überflutungen, Dürren - einhergeht. In den 90er Jahren gab es weltweit bereits dreimal mehr große Wetterkatastrophen als in den 60er Jahren - so der weltweit größte Rückversicherer, die Münchener Rück (siehe Graphik unten). Dafür gibt es verschiedene Gründe. Für eine Verdopplung der Katastrophen aber haben die Forscher in München keine andere Ursache gefunden als den globalen Klimawandel. Erhärten sich diese Indizien, hieße das, daß bereits in den Neunziger Jahren Millionen von Menschen ihr Hab und Gut, ihre Heimat oder gar ihr Leben wegen des menschgemachten globalen Klimawandels verloren haben. Eine Neudefinition des perfekten Verbrechens kündigt sich an.
Das perfekte Verbrechen zeichnet sich normalerweise dadurch aus, daß die Leiche beseitigt wird und keine Zeugen existieren. Ganz anders in diesem Fall. Das Fernsehen präsentiert uns die Leichen, die nach Stürmen, Überschwemmungen und Dürren sichtbar werden. Wir alle werden in der heimischen Wohnstube Zeuge.
Und dennoch verdecken drei Schleier das mögliche Verbrechen.
Erstens: Keine der einzelnen Wetterkatastrophen kann - aus methodischen Gründen - eindeutig auf den globalen Klimawandel zurückgeführt werden. Von Klima spricht man nach Definition der World Meterological Organisation, wenn man das Wetter über dreißig Jahre mittelt. Allenfalls das veränderte Muster der Wetterkatastrophen, der veränderte Trend, kann dem globalen Klimawandel angelastet werden, nie der Einzelfall.
Zweitens: Damit nicht genug. Kaum einer von den hunderttausenden Opfern, vor allem in den Entwicklungsländern, denen Haus und Habe zerstört wurde, weiß über den möglichen Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel. Die meisten potentiellen Opfer ahnen nicht, daß sie möglicherweise 'ausbaden' - welcher Euphemismus -, was ihnen die Abgase der Autos und Flugzeuge, der Kraftwerke und Heizkeller eingebrockt haben. Wo es keine Kläger gibt, gibt es auch keine Richter. Selbst die Medien in den Industriestaaten berichten praktisch ausschließlich über eine "Naturkatastrophe". Und auch die NRO halten ihren Mund. Denn sie wissen, daß es ihnen bei Strafe der Unwissenschaftlichkeit verboten ist, genau diese Wetterkatastrophe, etwa den Hurrican Mitch oder die Überflutungen Ecuadors bzw. Mozambiks, auf den globalen Klimawandel zurückzuführen.
Drittens: Selbst wenn dieser Nachweis gelänge, die Täter könnten nicht verurteilt werden. Jede Person, ja sogar jeder Sektor, also etwa der Straßenverkehr, der Luftverkehr, die Kohlebranche, die Ölbranche usw. kann mit gutem Recht argumentieren: "Ohne unseren spezifischen Beitrag wäre das Problem fast genau so schlimm. Also können wir gar nicht verantwortlich sein." Je mehr Täter es gibt, desto weniger kann man sie zur Rechenschaft ziehen. Der Kausalitätsnachweis für den einzelnen Sektor und erst recht die Einzelperson kann nicht gelingen, wenn die Kumulation der von vielen Tätern ausgestoßenen Gase das Problem ist. Viele sind schuld, also ist keiner schuld. Das Kausalitätsprinzip, auf dem unser Rechtssystem basiert, kapituliert vor postmodernen Gefährdungslagen kumulativer Art.
Wenn es stimmt, daß jede zweite der Wetterkatastrophen menschgemachten Ursprungs ist, dann hieße das: Jede zweite der großen Wetterkatastrophen - der Sturm Lothar, der Erdrutsch in Venezuela, die Überschwemmungen in China und Bangladesch, die Dürren und anschließenden Tropenwaldbrände in Indonesien, um nur einige Beispiele zu nennen - hat mit perfektem Verbrechen zu tun. Wir alle sitzen vor dem Fernseher und werden Zeugen dieser Katastrophen. Aber keinen Einzelfall können wir zweifelsfrei auf den globalen Klimawandel zurückführen. Die meisten Opfer wissen nicht, daß sie möglicherweise Opfer eines Verbrechens sind. Und niemand kann einen Täter verantwortlich machen, da auch ohne seinen Beitrag das Verbrechen passiert wäre. Das perfekte Verbrechen wäre neu definiert. Nichts zu machen?
Christoph Bals