Blogpost | 16.06.2020

Solidarität gegen Hunger – Das Recht auf Nahrung und landwirtschaftliche Lieferketten

Mit der Strategie „Farm to Fork“ will die EU-Kommission den Zugang zu nachhaltiger und gesunder Ernährung fördern.

Mit der Strategie „Farm to Fork“ will die EU-Kommission den Zugang zu nachhaltiger und gesunder Ernährung fördern. Foto: Gary Butterfield / Pixabay

Das weltweite Ernährungssystem war schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie von starker Ungleichheit und Ungerechtigkeit geprägt: Während mehr Lebensmittel erzeugt werden als nötig, um alle Menschen gesund zu ernähren, leiden mehr als 800 Millionen Menschen Hunger. Fast zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt, gleichzeitig gibt es aber mehr als zwei Milliarden Übergewichtige. 


Krankheiten, die durch zu viel Zucker und Fleisch ausgelöst werden, wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nehmen weltweit zu. Hinzu kommt das Paradox, dass ein großer Teil der Menschen, die Lebensmittel erzeugen, ob als (Klein-)Bäuer_in oder Landarbeiter_in, arm und selbst mangelernährt ist. Insbesondere die Menschen im wirtschaft lich schwächeren Globalen Süden sind von den negativen Folgen des Ungleichgewichts im globalen Ernährungssystem betroffen.

Die Corona-Krise droht dieses Ungleichgewicht massiv zu verschärfen. Wegen Ausgangssperren können viele ihre Felder nicht bestellen oder haben keinen Zugang zu Dünger und anderen Betriebsmitteln. Die Ernten laufen dieses Jahr Gefahr (kleiner) auszufallen. Vielerorts drohen Armut und Hunger.

Auch in manchen Industriestaaten beeinträchtigt Corona die Landwirtschaft : Die Ausgangsbeschränkungen unterbrechen die komplexen, auf maximale Effizienz ausgelegten Lieferketten innerhalb und zwischen Ländern. Bäuer_innen bleiben auf ihren Erzeugnissen sitzen. In Deutschland ist es noch nicht zu Versorgungsproblemen gekommen, aber bei einigen Produkten zu höheren Preisen im Supermarkt, während die Landwirt_innen zum Beispiel für Milch und Geflügel weniger bekommen. Vor allem die seit langem um ihre Existenz kämpfenden Milchbäuer_innen leiden unter fehlendem Export und übervollen Lagern und dadurch weiter sinkenden Preisen.

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise wird ein weiteres Problem der industriellen Fleischerzeugung noch deutlicher: Auf engem Raum werden so viele hochgezüchtete Tiere gehalten, dass regelmäßig hohe Mengen Antibiotika eingesetzt werden müssen, um systembedingte bakterielle Erkrankungen zu bekämpfen. Häufig handelt es sich dabei um sogenannte Reserveantibiotika, die eigentlich nur dann in der Humanmedizin genutzt werden sollten, wenn die üblichen Antibiotika versagen. Durch den massenhaften Einsatz werden immer mehr Erreger resistent und Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit.

Gegen Virenerkrankungen wie COVID-19 wirken Antibiotika nicht. Oft kommt es aber zu bakteriellen Sekundärerkrankungen wie Lungenentzündung, gegen die dann wirksame Antibiotika zur Verfügung stehen müssen. Zunehmende Resistenzen steigern das Risiko für bakterielle Pandemien, die nicht behandelt werden können.

Germanwatch fordert die internationale und europäische Agrarpolitik auf, sich – auch wegen der Krise – neu auf eine ökologisch und sozial nachhaltigere Erzeugung gesunder Lebensmittel auszurichten und regionale Märkte statt internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Es müssen weniger Tiere gehalten werden und das so, dass sie möglichst nicht krank werden und nicht krank machen. Die in der EU kürzlich veröffentlichte „Farm to Fork“-Strategie zeigt dafür erste Ansatzpunkte. Diese gilt es auszubauen und in die Gestaltung der EU-Agrarpolitik einfließen zu lassen. International muss das vom Komitee für Welternährungssicherheit empfohlene Konzept der Agrarökologie die Leitlinie für die Entwicklungszusammenarbeit werden. Kurzfristig aber steht im Vordergrund, die ländlichen Regionen, die von Hunger bedroht sind, schnell und gezielt zu unterstützen.


Dieser Beitrag erschien im Mitglieder-Magazin EINBLICK 2|2020.

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