Ausbeutung im Baumwollfeld
Ausbeutung im Baumwollfeld
Meist sind es junge Mädchen zwischen 6 und 14 Jahren: Bei der Saatgutproduktion für Baumwolle im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh schuften sie bis zu 14 Stunden am Tag, gehen nicht zur Schule, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon, weil sie ohne Schutzkleidung arbeiten. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang.
Unter diesen schockierenden Bedingungen arbeiteten 2004 in Andhra Pradesh 84.000 Kinder, darunter auch rund 1.650 für Zulieferer von ProAgro, einer Tochter des Leverkusener Bayer-Konzerns. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - wurden über 10.000 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies war das Ergebnis einer Studie, die von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren und der deutschen Sektion von Global March Against Child Labour im Oktober 2004 veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichten daraufhin im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.
Erste Erfolge
Dabei kooperieren sie vor Ort mit der indischen M.V.-Stiftung, einer Nichtregierungsorganisation (NGO). Deren Generalsekretärin Shanta Sinha ist von den früheren Versprechungen der Bayer-Leute bitter enttäuscht: "Anfangs haben sie mir Mut gemacht, heute weiß ich, dass es eine Verzögerungstaktik war." Denn trotz anfänglicher Zusagen wurde keine der Forderungen der NGO erfüllt.
Dennoch gab es beim Kampf gegen Kinderarbeit Erfolge: In ganz Andhra Pradesh konnte der Anteil der Kinderarbeiter in der Baumwollsaatgutproduktion in den letzten beiden Jahren von 90% auf 60% gesenkt werden. Aber das reicht nicht, wie Cornelia Heydenreich von Germanwatch betont: "Der Bayer-Konzern kennt die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren. Mit höheren Abnahmepreisen und strikten Kontrollen könnte Bayer das Problem Kinderarbeit bei den Zulieferern lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan."
Ralf Willinger