Ein Sieg der internationalen Solidarität!

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Ein Sieg der internationalen Solidarität!

Arbeiter übernehmen gemeinsam mit mexikanischem Unternehmen das stillgelegte Euzkadi-Werk von Continental

 

Faustino Casillas ist außer sich vor Freude und den Tränen nah. Die Last von 3 Jahren fällt von dem 56-jährigen Maschinenarbeiter ab, von seiner Familie, von seinen Mitstreitern von der Gewerkschaft. "Vencemos!" Sie haben gesiegt, die Arbeiter des Euzkadi-Werkes im mexikanischen El Salto - gegen den Weltkonzern Continental AG aus Hannover. 3 lange Jahre hat es gedauert, ohne Job, ohne Lohn, abhängig von der Arbeit der Kinder und Ehefrauen, von Spenden befreundeter Kooperativen, von der Unterstützung internationaler Organisationen. Faustinos Frau ging bis in die USA, um zu arbeiten, später auch einer seiner Söhne, der auch im Werk gearbeitet hatte. Die Kinder vieler Kollegen mussten arbeiten gehen oder brachen ihr Studium ab, um die Familie zu ernähren. Denn in Mexiko fanden viele der Arbeiter keine andere Stelle: Ihre Namen wurden von Continental auf Schwarze Listen mit aufrührerischen Arbeitern gesetzt, die unter den Unternehmen kursieren.

Der Fall verdeutlicht das oftmals rücksichtslose Vorgehen transnationaler Konzerne im Globalisierungsprozess. 1998 kaufte Continental die Reifenfabrik Euzkadi, die schon seit 1935 erfolgreich produzierte und damals als die modernste in ganz Lateinamerika galt. Der Konzern begann, das Werk umzustrukturieren, die bis dahin in der Branche geltenden Tarifverträge auszuhebeln - beispielsweise sollte die Arbeitszeit von 8 auf 12 Stunden ausgedehnt werden - und Gewerkschaftsführer zu entlassen.

Als die Arbeiter protestierten, schloss Continental das Werk Ende 2001 von heute auf morgen und kündigte unrechtmäßig allen 1164 Arbeitern. Die Arbeiter - alle in einer unabhängigen Betriebsgewerkschaft organisiert - begannen zu streiken und blockierten das Werk und den Abtransport der zig Millionen Dollar teuren Maschinen. Und sie gingen vor Gericht: Es kam zu Prozessen über alle Instanzen bis zum Verfassungsgericht. Trotz mehrerer Niederlagen legte Continental immer wieder Widerspruch ein - eine Zermürbungstaktik. Einige Arbeiter gaben auf und nahmen die Abfindung, die Continental ihnen anbot.

Doch die meisten hielten durch. 2002 wurde gemeinsam mit Germanwatch bei der deutschen Kontaktstelle der OECD Klage gegen die illegale Schließung des Werkes eingereicht. Germanwatch und die Menschenrechtsorganisation FIAN unterstützten die Gewerkschafter auch bei vielen anderen Aktivitäten: Es kam zu zahlreichen Treffen mit hochrangigen deutschen und mexikanischen Politikern bis zum mexikanischen Präsidenten Vicente Fox, mit deutschen Parlamentariern und Gewerkschaftern. Mexikanische Gewerkschafter reisten mehrmals nach Deutschland, sprachen auf Aktionärsversammlungen von Continental und mit Firmenvertretern.

Dies alles trug dazu bei, dass sich die Kontrahenten im Januar 2005 außergerichtlich einigen konnten: Das Euzkadi- Werk wurde von Continental zur Hälfte an das mexikanische Unternehmen Llanti Systems verkauft und zur anderen Hälfte an eine Genossenschaft der Arbeiter übertragen. Die Arbeiter bekamen damit quasi den ausstehenden Lohn der letzten 3 Jahre und ihre Arbeitsplätze zurück. "Ein Sieg der internationalen Solidarität!", freute sich Gewerkschaftschef Jesús Torres Nuño. Ein Sieg, der anderen Mut machen sollte.

Ralf Willinger
 

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