"Spannende Arbeit" in Indien
"Spannende Arbeit" in Indien
Die Arbeit in einer Nichtregierungsorganisation (NRO) ist oft spannend: Machenschaften von Konzernen recherchieren, diese öffentlichkeitswirksam in die Presse bringen, vor der Unternehmenszentrale protestieren. Manchmal ist die Arbeit aber auch aus anderen Gründen "spannend". Wenn nämlich die NRO-Akteure mit unfeinen Methoden an ihrer Arbeit gehindert werden sollen.
Diese Erfahrung haben mehrere indische Organisationen gemacht. Eine davon - Cividep - unterstützt auch das makeITfair-Projekt mit Recherchen zu Arbeitsbedingungen in der Handyproduktion in Indien. Im Jahr 2005 hatten Cividep und lokale Gewerkschaften Informationen über besorgniserregende Arbeitsbedingungen beim indischen Jeanshersteller "Fibres and Fabrics International Pvt Ltd" (FFI) und der Tochterfirma "Jeans Knit Private Limited" (JKPL) in Bangalore erhalten. Daraufhin recherchierten sie vor Ort und stießen auf Missstände wie erzwungene und nicht bezahlte Überstunden, physische und psychische Misshandlungen, sexuelle Belästigung sowie fehlende Arbeitsverträge. Nachdem Verhandlungen mit dem Management über eine Verbesserung gescheitert waren, veröffentlichten die Organisationen ihre Ergebnisse. Auch auf internationaler Ebene regte sich Kritik an den Bedingungen bei FFI, denn die dort hergestellten Jeans landeten u.a. bei der niederländischen Markenfirma G-Star auf der Ladentheke.
Die internationale Clean Clothes Campaign veröffentlichte diese Berichte, doch dem indischen Unternehmen war solche Kritik nicht lieb. Zunächst versuchte das Management, gegen die indischen NROs und Gewerkschaften vorzugehen. Das Unternehmen erließ im Juli 2006 eine Anzeige gegen die lokalen Organisationen und bewirkte eine einstweilige Verfügung, nach der es Cividep und lokalen Gewerkschaften verboten wurde, über die Arbeitsbedingungen bei FFI zu sprechen. Zudem erhielt u.a. der Geschäftsführer von Cividep Todesdrohungen und musste sein Haus verlassen. Das indische Unternehmen ging jedoch weiter und bewirkte auch einen erstinstanzlichen Haftbefehl gegen sieben Mitarbeiter der Clean Clothes Campaign aus den Niederlanden sowie ihren Internetanbieter wegen "Internetkriminalität", "Fremdenfeindlichkeit", "Rassismus" und "Verbreitung falscher Informationen". Der "FFI-Fall" drohte ein Präzedenzfall zu werden, der die Arbeit aller Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen sowie der Gewerkschaften global gefährden könnte.
Weltweit hagelte es Proteste gegen diese Entwicklungen. In Deutschland setzte sich etwa das CorA-Netzwerk, in dem insgesamt 40 zivilgesellschaftliche Organisationen wie Greenpeace, Oxfam und Germanwatch zusammengeschlossen sind, dagegen ein. Auch die niederländische Regierung protestierte und versuchte zu vermitteln.
Diese Bemühungen waren erfolgreich. Schließlich zog FFI im Januar 2008 seine Anklage gegen die niederländischen NROler zurück. Vor Ort wird ein Ombudsmann eingerichtet, der künftigen Arbeitsrechtsverletzungen nachgehen wird. Die Kampagnenaktivitäten gegen FFI und G-Star sind beendet. Aber erst seit Juni 2008 können auch die Kollegen von Cividep wieder etwas entspannter arbeiten: Seitdem ist nicht nur die Klage gegen die internationalen Akteure, sondern auch die Zivilrechtsklage gegen die indischen Organisationen zurückgezogen.
Cornelia Heydenreich