"Wir sehen uns mit komplexen und mächtigen Konzernstrukturen konfrontiert"

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"Wir sehen uns mit komplexen und mächtigen Konzernstrukturen konfrontiert"

Portrait von Jenny Chan, Mitarbeiterin der Nichtregierungsorganisation SACOM in Hong Kong

 

Jenny ChanJenny Chan arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Students and Scholars Against Corporate Misbehavior (SACOM), die von Hong Kong aus Studien zu Arbeitsbedingungen in China erstellt. makeITfair kooperiert eng mit SACOM, um die Sozial- und Umweltstandards in der Elektronikindustrie Südchinas zu analysieren und zu verbessern. So hat Jenny in diesem Jahr die Arbeits-bedingungen bei Zulieferern der Mobilfunkindustrie untersucht. Die Ergebnisse werden in einer makeITfair-Studie im September 2008 veröffentlicht. Im Folgenden beschreibt Jenny Chan ihre Arbeit bei SACOM.

Seit dem Jahr 2001 führe ich gemeinsam mit meinen Kommilitonen und Lehrern Projekte in einem Bergdorf in Südwestchina durch. Da ich in Hong Kong geboren wurde, wurde ich bei meiner ersten Reise ins ländliche China mit ganz neuen Erkenntnissen über ökonomisches Wachstum und soziale Entwicklung konfrontiert. Das Dorf hat drastische Veränderungen durchgemacht, und die meisten Mädchen und Jungen haben nach ihrer Grundschulausbildung ihre Heimat verlassen, um Arbeit in Fabriken global agierender Unternehmen zu finden. Die Migration vom Land in die Städte ist massiv.

Abwanderung in Küstenstädte

 

 

 

 

 

 

 


In China wandern viele Landbewohner in die Küstenstädte im Süden aus, um einen Arbeitsplatz in der Exportindustrie zu finden.

Foto: Picture Alliance

Zwischen 2004 und 2005 führte ich ethnologische Forschungen über einen Arbeitskampf in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen durch. Zehn Mädchen ließen mich in ihrem 20 Quadratmeter großen Schlafraum übernachten, ohne das Management oder die Sicherheitskräfte davon zu unterrichten. Ich erfuhr, wie diese Arbeiterinnen um ökonomische Gerechtigkeit und Würde kämpfen. Sie erstellten Aktionspläne, kontaktierten Journalisten und Nichtregierungsorganisationen, sammelten Unterschriften sowie Spenden und verhandelten mit Managern.

Nach meinem Abschluss im Mai 2006 trat ich SACOM bei. Die Organisation bringt engagierte Studenten, Wissenschaftler, Arbeitsrechtsaktivisten und Konsumenten zusammen, um Unternehmen zu überwachen und sich für Arbeitsrechte einzusetzen. Wir sehen uns allerdings mit komplexen und mächtigen Konzernstrukturen konfrontiert. Begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen stellen eine ständige Sorge dar.

Wir erstellen strategische Unternehmensstudien und führen dabei offene Interviews mit Arbeitern durch, da wir so am besten die Umsetzung von internationalen Unternehmenskodexen und Arbeitsrechten am Arbeitsplatz untersuchen können. Unsere Feldforscher sprechen mit den Arbeitern über Arbeitsrechte, die Rechte von Frauen sowie Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen. Die meisten Beschäftigten reden offen über ihre geringen Gehälter, langen Arbeitszeiten und unangemessenen Arbeits- und Lebensbedingungen. Einige sind auch bereit, uns Kopien ihrer Mitarbeiterhandbücher, Lohnzettel, Wohnheimregeln oder anderer Dokumente auszuhändigen.

Im August 2006 wurden neun Arbeiterinnen bei der Reinigung von Mobilfunk-Displays der Firma Motorola mit einem N-Hexan-haltigen Reinigungsmittel vergiftet, weil sie keine Schutzhandschuhe und Gesichtsmasken trugen. Eine von ihnen war schwanger und musste aufgrund der befürchteten Komplikationen der chemischen Vergiftung für das Kind abtreiben. Der tragische Fall veranlasste SACOM, die Praktiken und Arbeitsschutzmaßnahmen von Nokia, Samsung, Sony Ericsson und anderen Mobilfunkunternehmen weiter zu untersuchen.

SACOM tritt für "gute Elektronik" ein und fokussiert dabei auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter im schnell wachsenden Informations- und Kommunikationssektor in China. Die Organisation motiviert auch die Universitäten - große Abnehmer von Computern - dazu, die Unternehmen zu beeinflussen. Unsere Studenten und Lehrer werden beispielsweise keine Angebote von Dell annehmen, so lange das Unternehmen seine Transparenz nicht erhöht und die Namen und Sitze seiner Zulieferer offenlegt. Im April 2008 übernahm Hewlett Packard (HP) eine Führungsrolle bei der Veröffentlichung seiner direkten Zulieferer, die weltweit mehr als 95 Prozent der Einkäufe des Unternehmens herstellen. Wir begrüßen diesen Schritt von HP und ermuntern Dell dazu, dasselbe zu tun.

Jenny Chan, SACOM

Übersetzung: Anika Busch
 

Weitere Informationen bei SACOM.

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