"Ich wünsche mir höhere Löhne und besseren Schutz vor Chemikalien"

Weitblick Artikel

"Ich wünsche mir höhere Löhne und besseren Schutz vor Chemikalien"

Interview mit Lucy (Name geändert), Philippinen, Mitarbeiterin eines Unternehmens, das Elektronikhersteller beliefert

 

Können Sie uns bitte Ihre Lebenssituation als Arbeiterin in der Elektronikbranche schildern?

Ich bin 24 Jahre alt. In meinem Haus lebe ich gemeinsam mit neun Anderen, und wir teilen uns die ständig steigenden Kosten. Ich arbeite in der Elektronikindustrie in der chemischen Reinigung von Bauteilen. Die Fabrik ist normal, nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Ich mache das bereits seit fast einem Jahr. Vorher habe ich auch schon in der Branche gearbeitet, allerdings musste die Firma schließen. Aus diesem Grund musste ich mit meinem Bruder umziehen und meine Familie verlassen. Meine Mutter ist krank, und ich schicke meiner Familie regelmäßig Geld. Ich bin ihre einzige Hoffnung, da meine beiden Brüder kaum Geld verdienen. Ich würde zwar gerne - wie die meisten Arbeiter in der Elektronikbranche - in ein anderes Land ziehen, um dort mehr zu verdienen, aber das geht nicht.

Wie sehen die Sicherheitsbestimmungen in der Fabrik aus?

Wir stehen den ganzen Tag, was sehr anstrengend ist. Nur Schwangere dürfen sich zwischendurch hinsetzen, allerdings dürfen die in unserer Abteilung gar nicht arbeiten. Diejenigen, die wie ich mit Chemikalien arbeiten, haben Gesichtsmasken. Trotzdem habe ich häufig geschwollene Mandeln, Schmerzen in der Brust und die Augen tun mir weh oder mir wird schwindlig. Wir bekommen Schutzbrillen für unsere Augen, aber wenn es sehr heiß ist, tragen wir sie nicht immer. Ich hätte gerne Handschuhe, um meine Hände zu schützen.

Wir erhalten auch Schulungen zu Sicherheitsvorkehrungen und Feuerschutzmaßnahmen. Außerdem befinden sich an unseren Arbeitsplätzen Anweisungen, was wir tun sollen, wenn die Lösung auf unsere Hände oder in unsere Augen gerät.

Sind Sie mit Ihrem Gehalt zufrieden?

Ich verdiene 282 Pesos pro Tag (entpricht etwa 4 Euro), und das Gehalt steigt jedes Jahr je nach Leistung. Außerdem bekomme ich ein dreizehntes Monatsgehalt und einen Bonus für Überstunden. In den letzten zwei Monaten habe ich keine Überstunden gemacht. Das ist ein Problem für mich, da die Einkünfte so gering sind und ich davon auch Transport, Nahrungsmittel und Steuern bezahlen muss. Außerdem zahle ich regelmäßig einen Beitrag für die Familien von Arbeitern, die gestorben sind. Wenn mein Geld einmal nicht ausreichen sollte, um meiner Familie etwas davon zu schicken, würde ich einen Kredit aufnehmen. Dann fallen allerdings hohe Zinsen an.

Wie steht es um die Arbeitszeiten?

Es ist, wie gesagt, schwierig für mich, wenn ich keine Überstunden machen kann. Aber es kann auch problematisch werden, wenn ich zu viel arbeiten muss. Ab nächstem Monat müssen wir zwölf Stunden pro Tag arbeiten, an sechs oder sieben Tagen pro Woche. Wir können die Überstunden nicht ablehnen, nur mit einem sehr guten Grund. In einer achtstündigen Schicht haben wir zwei Pausen von 30 bzw. 20 Minuten. In einer zwölfstündigen Schicht gibt es eine Extra-Pause.

Wir haben Anspruch auf acht Urlaubstage pro Jahr, in jedem Jahr steigt die Anzahl um einen Tag. Allerdings werden uns häufig Urlaubstage verweigert, auch wenn wir sehr gute Gründe haben. Ich frage mich, warum es überhaupt Urlaubstage gibt, wenn wir sie nicht nutzen können. Da wir Geld bekommen, wenn wir sie verfallen lassen, machen sie für mich auch keinen Sinn. Wir dürfen zusätzlich an sieben Tagen im Jahr krank sein.

Beschäftigte der philippinischen Elektroindustrie

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

Die Beschäftigten der philippinischen Elektronikindustrie fertigen Bauteile für Handys und Computer auf Weltmarktniveau, aber ihre Arbeitsbedingungen sind längst nicht immer Weltklasse.
Foto: Picture Alliance

Was passiert, wenn Sie tatsächlich nicht zur Arbeit kommen?

Wenn man einen Tag fehlt, muss man ein Attest von einer Klinik vorlegen. Tut man dies nicht, erhält man eine erste Verwarnung. Bei der dritten Verwarnung wird man für drei Tage vom Dienst suspendiert. Geschieht dies sechsmal, wird man entlassen.

Wenn man bei der Arbeit einen Fehler macht, muss man ein Dokument ausfüllen, und man wird gerügt. Macht man viele Fehler, wird man gezwungen, zu kündigen.

Gibt es Quoten, die erreicht werden müssen?

Ja, wir müssen an einen Zwölfstundentag 14.000 Stück schaffen. Das geht nur, wenn wir sehr hart arbeiten. Der Job ist nicht schwer, aber es ist sehr anstrengend, den ganzen Tag über zu stehen. Wenn man die Quote nicht erreicht, muss man den Grund dafür erklären. Wir werden bei der Arbeit ständig überwacht.

Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?

Nein. Ich wurde vor der Einstellung zu Gewerkschaften und meiner Position dazu befragt. Mir wurde gesagt, dass es nicht erlaubt sei, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren, und ich sollte angeben, ob ich irgendwelche Kontakte zu einer Gewerkschaft habe. Diese Fragen sind normal, das machen fast alle Firmen so.

Die Produkte Ihrer Firma werden von großen Elektronikunternehmen eingekauft. Sind Ihre Arbeitsbedingungen schon einmal von diesen überprüft worden?

Nein, das habe ich noch nicht mitbekommen.

Wenn Sie etwas an Ihrer Arbeit verbessern könnten, was wäre das?

Wenn ich es beeinflussen könnte, würde ich die Löhne erhöhen und den Schutz vor den Chemikalien verbessern.
 

Interview: Irene Schipper, SOMO

Übersetzung: Anika Busch

Zuletzt geändert