Chinesisches Arbeitsgesetz erweitert
Chinesisches Arbeitsgesetz erweitert
China wird auf Wirtschaftsebene von vielen als große Bedrohung wahrgenommen, auch für Arbeitsplätze in Europa. Denn mit den niedrigen Lohnkosten in China kann Europa nicht mithalten. Die Kehrseite der boomenden Wirtschaft sind zahlreiche soziale und ökologische Probleme: exzessive Überstunden ohne Bezahlung, Vergiftungen am Arbeitsplatz, Langzeit-Gesundheitsschäden, verpestete Luft. Die chinesische Regierung scheint erkannt zu haben, dass die soziale und ökologische Rahmensetzung verstärkt werden muss.
So traten in China in diesem Jahr zwei Erweiterungen zum Arbeitsgesetz in Kraft: ein Arbeitsvertrags- und ein Arbeitsschiedsgesetz. Seit Januar haben nun alle Arbeitnehmer Anspruch auf einen Arbeitsvertrag. Zuvor waren nach Angaben des chinesischen Gewerkschaftsbundes All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) 80 Prozent der ca. 150 bis 200 Millionen WanderarbeiterInnen ohne einen solchen beschäftigt. Befristete Verträge können nun auch nicht mehr beliebig oft wiederholt werden. Dazu kommen ein besserer Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, neue Abfindungsregelungen und eine Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen. Wichtig ist zudem die Festlegung, dass über Arbeitsagenturen Angestellte den gleichen Lohn erhalten sollen wie die direkt im Unternehmen angestellten ArbeiterInnen. Zudem sind mit dem neuen Arbeitsschiedsgesetz seit Mai nun Streitigkeiten einfacher zu führen. "Das Gesetz ist eine begrüßenswerte Verrechtlichung der Arbeitsbeziehungen. Die ArbeiterInnen können nun klagen - aufgrund des neuen Gesetzes auch noch ohne Kosten. Dadurch werden mehr Prozesse erwartet", sagt Uwe Kleinert, der die Aktion "fair spielt" koordiniert.
Viele Wirtschaftsvertreter haben auf diese gesetzlichen Veränderungen ablehnend reagiert. Kommentare wie "das Jahr der Ratte bringt eine Plage über die Arbeitgeber in China" sind keine Seltenheit. Dabei fielen die gesetzlichen Veränderungen gar nicht so stark aus, wie die chinesische Regierung zunächst intendiert hatte. Im März 2006 hatte das Politbüro den Entwurf zu einer radikalen Reform der Arbeitsgesetzgebung veröffentlicht und ihn zur öffentlichen Diskussion gestellt - für die chinesische Politik eine bemerkenswerte Neuerung.
Nicht nur aus China gab es zahlreiche Kommentare zum neuen Arbeitsgesetz. Auch die europäische und die amerikanische Handelskammer meldeten sich zu Wort und lobbyierten intensiv gegen eine verstärkte chinesische Gesetzgebung. So warnte der Präsident der EU-Handelskammer, Janssens de Varebeke, den Volkskongress, dass steigende Produktionskosten "ausländische Unternehmen zwingen könnten, neue Investitionen zu überdenken". Dies ist umso ärgerlicher, da ansonsten oft die mangelnde Gesetzgebung bzw. deren fehlende Umsetzung in den Entwicklungs- und Schwellenländern bei Wirtschaftsvertretern als Argument dafür herhalten muss, dass in der Zulieferkette grundlegende Arbeits- und Umweltstandards nicht eingehalten werden können.
Schließlich hat die chinesische Regierung das neue Gesetz in einer abgemilderten Version beschlossen: Die vorgesehenen "Verhandlungen" mit Arbeitnehmervertretern, zu denen Arbeitgeber im Fall von Entlassungen und geänderten Arbeitszeiten und -bedingungen gezwungen werden sollten, wurden nun in "Beratungen" abgeschwächt. Auch die Begrenzung von Leiharbeit war nicht mehr enthalten.
Natürlich steht und fällt die Wirkung der neuen Gesetze mit deren Umsetzung. Aber dafür ist nicht nur die Regierung verantwortlich, auch die Unternehmen müssen in die Pflicht genommen werden. Deren Berichte über ihre Unternehmensverantwortung sind oft nur die halbe Wahrheit, wie nicht nur Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften beanstanden. Auch Lui Shengan, ein Vertreter der chinesischen Regierung aus der Abteilung für Armutsbekämpfung, kritisierte im Gespräch mit Germanwatch eine häufige Unternehmenspraxis: "Während die Abteilungen für Unternehmensverantwortung von Unternehmen wie adidas den Willen haben, das Einhalten von Arbeitsstandards bei ihren Zulieferern zu verbessern, handeln die Einkaufsabteilungen oft anders. Nach meiner Information üben diese enormen Druck auf ihre Zulieferer aus, so dass die Arbeitsstunden der Mitarbeiter erhöht werden und der Arbeitsdruck zunimmt."
Es gibt also genug zu tun, damit aus den schönen Formulierungen auch Realität wird. Ernüchterung gibt es jedoch auch von chinesischer Seite. Shengan sagte: "Persönlich glaube ich, dass das neue Arbeitsgesetz leider nicht dazu beiträgt, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern oder die Armut in China zu bekämpfen." Dazu müsste es wohl auch ein Gesetz über freie Gewerkschaften geben, die Lohnerhöhungen aushandeln könnten. Die aktuellen Mindestlöhne sind viel zu gering, gerade auch angesichts der rasanten Preissteigerungen z.B. im Lebensmittelbereich.
Cornelia Heydenreich