Experiment mit ungewissem Ausgang
Experiment mit ungewissem Ausgang
Die internationale Debatte um CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS) kommt auf Deutschland zu. Anfang Mai fand auf Initiative von Minister Clement ein hochrangiger Kongress zu CCS statt. 2005 wird der IPCC dazu einen Sonderbericht vorlegen. Experten befassen sich also bereits - hierzulande weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit - intensiv mit dieser End-of-pipe-Technologie. Auch die Zivilgesellschaft muss aber eine differenzierte Position dazu entwickeln, bevor sie von der Entwicklung überrollt wird und entscheidende Weichenstellungen ohne ihre Beteiligung getroffen werden.
Es folgen Auszüge eines vor wenigen Tagen veröffentlichten Germanwatch-Diskussionspapiers.
"Generelle Aussagen
1. Mit CCS kommt eine neue, noch unerprobte potentielle Klimaschutz-Technik in die Debatte. Angesichts der wachsenden Dramatik der mittel- und langfristigen Klimawandel-Szenarien scheint es Germanwatch sinnvoll, jeden Vorschlag unvoreingenommen zu prüfen, der einen möglichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Eine solche Prüfung sollte sich an
- der sozialen Verträglichkeit (nicht reduzierbar auf Akzeptanz)
- der ökologischen Verträglichkeit
- der Verträglichkeit über Generationen hinweg und
- der ökonomischen Verträglichkeit (nicht reduzierbar auf betriebswirtschaftliche Sichtweise) orientieren.
3. Schon aus diesen prinzipiellen Gründen kann diese Technologie allenfalls eine ergänzende Rolle zu einer Strategie spielen, die auf massiven Ausbau von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energieträgern setzt. (...) CCS ist am ehesten in sehr großen zentralen Kraftwerken wirtschaftlich darstellbar. Deshalb muß kritisch beobachtet werden, ob CCS wirklich diese ergänzende Rolle spielt, oder ob es in der Hand der großen EVU zu einem Mittel wird, die bestehenden nicht nachhaltigen Strukturen der Stromerzeugung möglichst lange zu erhalten. Insgesamt könnte es die Gesellschaft von dem (...) Druck entlasten, sich rechtzeitig auf eine effiziente und sparsame Nutzung von Strom umzustellen.
4. Es ist absehbar, dass die CO2-Abscheidung und -Speicherung eine Konkurrenz zu einer großmaßstäblichen weltweiten Nutzung Erneuerbarer Energieträger werden kann. Wenn die Kosten für CCS sinken, bevor die Kosten für Erneuerbare Energien deutlich gesunken sind, kann die neue Option den Pfad in Richtung des solaren Zeitalters verbauen. (...) Gerade soweit es um den Einsatz öffentlicher Gelder geht, plädieren wir entschieden dafür, (...) der Innovation und schnellen Diffusion Erneuerbarer Energieträger eindeutig den Vorrang zu geben. (...)
5. Es ist unklar, ob die Diffusion von Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien schnell genug voran gehen wird, um die notwendigen Einschnitte im Ausstoß von CO2 auf diesem Wege allein zu erreichen. Es verdichten sich außerdem die wissenschaftlichen Anzeichen dafür, dass das Klima durch die vom Mensch ausgestoßenen Treibhausgase in eine derart instabile Lage gestoßen werden könnte, dass im Rahmen eines "Notfallplans" erhebliche Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. (Letzteres könnte durch den Einsatz von Biomasse kombiniert mit CCS erfolgen). Für diese Fälle könnte CCS als eine technische Option in Form einer "Brückentechnologie" in Erwägung gezogen werden. (...)
6. Eine Strategie der langfristigen Kohlenutzung für Europa lässt sich - auch bei Einbezug von geologischen Sequestrierungsmöglichkeiten - nicht ableiten. (...)
7. Es ist gegenwärtig nicht vorhersagbar, ob sich in den nächsten zwei (bis drei) Jahrzehnten ein Markt für Wasserstoff im Umfang eines nennenswerten Anteils am Weltenergiemarkt entwickeln wird. Falls dies eintritt, wird voraussichtlich der Einsatz der CO2-Abscheidung und -Speicherung bei der Produktion von Wasserstoff preisgünstiger als bei der Stromerzeugung sein. (...)
Lagerung
10. (...) Die Unsicherheiten und die ökologischen Risiken der marinen CO2-Lagerung sind so groß, dass wir sie für völlig unakzeptabel halten. Falls sich CCS als notwendig erweisen sollte, käme dafür nach gegenwärtigem Kenntnisstand alleine die geologische Speicherung in Frage.
11. Nur als sicher geltende Lagerstätten kommen generell für eine Lagerung in Frage. Die dennoch bestehende Unsicherheit über die Langzeitsicherheit der Lagerung kann am besten über eine von der Versicherungsbranche gewährleistete Haftungsregelung aufgefangen werden. (...)"
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