Die Rolle der Landwirtschaft in den Eckpunkten für den Marshallplan mit Afrika: Politikkohärenz als Voraussetzung für Entwicklung
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stellt in seinem Papier: "Afrika und Europa - Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft" eine Reihe von richtungsweisenden Ansätzen für die Armuts- und Hungerbekämpfung im ländlichen Raum heraus. Landwirtschaft wird zu Recht als eines der "Fundamente" des Marshallplans herausgestellt.
Ähnlich wie die Thesen des Papiers zur Handelspolitik sollten die richtigen Ansätze weiter konkretisiert und Unklarheiten und Widersprüche zu anderen Aussagen ausgeräumt werden. Zentral ist jedoch, dass eine neue Partnerschaft mit Afrika ein Projekt nicht nur des BMZ, sondern eines der gesamten Bundesregierung wird. Mit Blick auf Landwirtschaft und ländliche Entwicklung ist hier besonders das Landwirtschafsministerium gefordert, die Agrarpolitik Deutschlands und vor allem der EU kohärent mit den Zielsetzungen des Marshallplans mit Afrika zu gestalten.
Entwicklung interner Märkte als zentrales Instrument ländlicher Entwicklung...
In These 5 für einen Marshallplan mit Afrika "Wertschöpfung statt Ausbeutung" (S.6) wird eine Wirtschaftspolitik gefordert, die eine Diversifizierung der Wirtschaft, den Aufbau von Produktionsketten und die gezielte Förderung von Landwirtschaft sowie kleinen und mittleren Unternehmen zum Schwerpunkt macht.
Die Zusammenarbeit mit Afrika sollte Schritte in diese Richtung gezielt unterstützen. In den "Neue(n) Regeln der Zusammenarbeit" (S.13) wird konkret der "Stopp von schädlichen Exporten nach Afrika, (der Übergang) vom Freihandel zum fairen Handel, Förderung wirtschaftlicher Strukturen und gezielter Aufbau von Wertschöpfung vor Ort." gefordert.
Im Abschnitt zu "Ernährung und Landwirtschaft" (S.24f) wird festgestellt: "Afrika könnte sich selbst ernähren, stattdessen gibt Afrika jährlich 35 Milliarden US-Dollar für den Import von Lebensmitteln aus." Während "die Produktivität der Landwirtschaft bereits mit besserer Bildung, Ausbildung und Beratung...enorm gesteigert werden (kann)." Als programmatische Aussage für die Agrar- und Handelspolitik wird postuliert: "Abhängigkeiten müssen verringert, Unabhängigkeiten gestärkt werden." An dieser Stelle sollte zudem auf die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, insbesondere auf SDG 2 und das Recht auf Nahrung abgehoben werden. Darin wird gefordert, Produktion und Produktivität vor allem der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu steigern und gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen. Ein glaubwürdiger Bezug auf das Recht auf Nahrung muss zufolge haben, dass Maßnahmen priorisiert werden, die vor allem den Verletzlichsten zu Gute kommen, und dass unerwünschte Nebenwirkungen für diese Gruppe vermieden werden.
Aber schon aus den derzeit in den Eckpunkten enthaltenen Aussagen müsste ein agrarpolitisches Programm folgen, mit dem Afrika insgesamt, insbesondere aber Afrika südlich der Sahara seine Position als Nettoimporteur von Nahrungsmitteln überwindet. Die wachsende Nachfrage vor allem in städtischen Räumen soll genutzt werden, um mehr Einkommen und Beschäftigung im ländlichen Raum zu schaffen, insbesondere für Kleinbauern. Im Gegenzug bedeutet dies, dass Nahrungsimporte aus Ländern außerhalb Afrikas, auch der EU zurückgehen werden, wenn der Marshallplan erfolgreich ist.
Dies steht potenziell im Widerspruch zur Aussage auf S.16: "Nicht zuletzt für die deutsche Wirtschaft bietet Afrika vielversprechende Perspektiven, als letzter noch nicht erschlossener Markt - und das in direkter Nachbarschaft Europas." Dies ist bei einer positiveren wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika mittel- und langfristig sicher richtig. Es sollte aber klargestellt werden, dass dies für den landwirtschaftlichen Sektor - abgesehen von Spezialitäten und Genussmitteln mit begrenztem mengenmäßigem Potenzial - auf absehbare Zeit nicht für Lebensmittelexporte aus Deutschland und der EU gelten kann - im Gegenteil.
...steht im Widerspruch zu einer auf Mengenwachstum setzenden Exportpolitik.
Aus einer Ausrichtung der Zusammenarbeit mit Afrika auf eine geringere Importabhängigkeit müssen auch Anpassungen der Agrarpolitik in Deutschland und der EU folgen. Steigende Exportmengen vor allem von Fleisch und Milch, aber auch Getreide und verarbeitete Lebensmittel werden derzeit als Wachstumsmotor angesichts stagnierender europäischer Märkte propagiert. Auch von der Bundesregierung. Afrika, auch Afrika südlich der Sahara, ist schon heute ein wichtiger Absatzmarkt für Agrarexporte der EU, auch wenn Deutschland daran nur einen relativ kleinen Anteil hat. Wird es offizielles Ziel der Politik, dass dieser Markt schrumpft, muss die (Export-)Wachstumsstrategie in Frage gestellt werden. Die Tatsache, dass die großen Exportsteigerungen aus der EU in den letzten Jahren mit ruinösen Preisen und einem stark verschärften Strukturwandel und massiven Umweltproblemen einhergehen und damit agrarpolitische Ziele verfehlt werden, sollte die Diskussion erleichtern.
Teil einer neuen Partnerschaft zwischen Afrika und Europa muss daher auch eine europäische Agrarpolitik sein, die kohärent mit einer zunehmenden Selbstversorgung Afrikas mit Lebensmitteln ist. Das BMZ sollte dies bei der Entwicklung und Umsetzung des Marshallplans zu einer seiner Prioritäten machen.
Germanwatch-Kommentierungen des Entwurfs zum Marshallplan mit Afrika: