Afrika und Europa - Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft | Von der richtigen Analyse zur wirksamen Politikänderung? Das Beispiel Handelspolitik
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat mit den "Eckpunkten für einen Marshallplan mit Afrika" ein in weiten Teilen überzeugendes Plädoyer für eine Neuordnung der Beziehungen zwischen der EU und Afrika vorgelegt. Die wenn auch kurze Analyse der Gründe für die krisenhafte Situation vieler afrikanischer Staaten (S. 7-9) erkennt die historische Verantwortung Europas durch den Kolonialismus ausdrücklich an, und geht auch auf aktuelle Probleme wie das Verhalten internationaler Konzerne bezüglich Umwelt und Menschenrechten sowie der Steuervermeidung ein. Auch die europäische Politik habe sich zu stark an kurzfristigen Wirtschafts- und Handelsinteressen orientiert. Die Eliten Afrikas haben dem meist nicht nur nichts entgegengesetzt, sondern die Probleme durch Kapitalflucht, Raubbau an natürlichen Ressourcen und Unterdrückung der Zivilgesellschaft noch verschärft.
Darauf aufbauend, wird mit Bezug auf internationalen Handel und Handelspolitik auch der Veränderungsbedarf an vielen Punkten richtig beschrieben:
So wird anerkannt, dass "schädliche Exporte nach Afrika" gestoppt werden sollen und fairer Handel statt Freihandel anzustreben ist, um Wertschöpfung vor Ort gezielt aufzubauen. Dazu sollen auch die "handelsrechtlichen Beziehungen zu Afrika" ambitioniert weiterentwickelt werden, und "entwicklungsfreundliche Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vereinbart und umgesetzt werden." Die afrikanischen Länder sollten den innerafrikanischen Handel fördern, und Binnenmärkte durch Schutzzölle partiell und befristet vor globaler Konkurrenz sichern (S.17f).
Speziell mit Bezug auf die Landwirtschaft, die als erster Bestandteil des "Fundaments des Marshallplans" genannt wird, wird dieser Punkt besonders betont: Damit der ländliche Raum nicht durch entfesselte und unregulierte Marktkräfte oder verzerrende Agrarsubventionen zum Verlierer der Globalisierung werde, müssten afrikanische Länder handelspolitische Möglichkeiten nutzen, um ihre Märkte zu schützen, und eine eigene Agrarwirtschaft aufzubauen (S.25f).
Die Wirtschaftspartnerschaft als Lackmustest
In dem Papier wird jedoch weitgehend ausgeblendet, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAS) zwischen der EU und verschiedenen afrikanischen Regionen schon sehr weit fortgeschritten, und zu Teil sogar bereits vereinbart sind. So wurde das Abkommen mit der südafrikanischen SADC Region Ende letzten Jahres unterzeichnet. Darüber hinaus gibt es bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Ländern aus der westafrikanischen ECOWAS Gruppe (Ghana und Elfenbeinküste) sowie Zentralafrika (Kamerun). Mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) wurde bisher noch kein Abkommen unterzeichnet.
In ihrer derzeitigen Form widersprechen die EPAs den in den Eckpunkten für den Marshallplan entwickelten handelspolitischen Zielen gleich an mehreren wichtigen Stellen:
- Anders als beabsichtigt, haben sie die regionale Integration in den meisten Regionen nicht vorangebracht, sondern sogar behindert. So sind die Abkommen, die Ghana und Elfenbeinküste je bilateral mit der EU geschlossen haben, nicht untereinander kompatibel, und widersprechen den Interessen anderer ECOWAS-Länder. In Zentralafrika ist die Situation ähnlich.
- Selbst wenn es noch gelingen sollte, EPAs in den einzelnen Regionen mit allen beteiligten Ländern abzuschließen, ist völlig unklar, wie diese mit dem im Marshallplan mit Afrika ebenfalls unterstützten Ziel einer afrikaweiten Freihandelszone in Übereinstimmung gebracht werden können.
- Der handelspolitische Spielraum für afrikanische Länder ihre Märkte gegen europäische Importkonkurrenz zu schützen, wird durch die EPAs drastisch eingeschränkt. Da die EU im Zuge der Lome und Cotonou Abkommen bereits seit langem freien Marktzugang für fast alle afrikanischen Exporte gewährt, kann sie fast keine zusätzlichen Handelsvorteile mehr anbieten.
- Auch die Möglichkeit, der im Papier zu Recht beklagte Abhängigkeit von Rohstoffexporten entgegenzuwirken, wird durch die EPAs erschwert. Exportsteuern auf Rohstoffe werden darin nur in wenigen Ausnahmefällen zugelassen. Damit entfällt ein wichtiges Instrument, Anreize für die Verarbeitung im Land, bzw. der Region und zudem eine signifikante staatliche Einnahmequelle - obwohl das BMZ die schon jetzt niedrige Steuerquote in Afrika zu Recht kritisiert.
Da die EPAs von Seiten der afrikanischen Länder bislang noch nicht angewendet werden, besteht die Möglichkeit zum Umsteuern. Die "handelsrechtliche Beziehungen gezielt weiter [zu] entwickeln" muss in einer ausgearbeiteten Strategie daher zu einem Kernelement werden, bisher wird diese Weiterentwicklung nur zaghaft angedeutet.
Wichtig ist ein Moratorium für die EPAs zu verhängen, deren Mandat in den globalisierungseuphorischen 1990er Jahren vereinbart wurde. Während einerseits die EU ihren bestehenden Marktzugang für die afrikanischen Länder aufrechterhält, ist andererseits zusammen mit den afrikanischen Ländern und der Afrikanischen Union über eine neue handelspolitische Grundlage zu diskutieren. Diese muss den afrikanischen Ländern einen deutlich größeren Politikspielraum ermöglichen, als die EPAs, die als Freihandelsabkommen mit gegenseitiger (wenn auch asymmetrischer) Marktöffnung konzipiert sind. Gleichzeitig sollten wirkungsvolle Anreize für Staaten und Unternehmen verankert werden, Sozial- und Umweltstandards wirksam umzusetzen. Das bestehende GSP plus Präferenzsystem der EU, das zusätzlich verbesserten Marktzugang für alle Entwicklungsländer vorsieht, die grundlegende Standards einhalten, kann dabei den Ausgangspunkt bilden. Dies gilt es an die Bedürfnisse der afrikanischen Staaten und die Ziele der AU anzupassen.
Das BMZ hat als in der Bundesregierung federführendes Ministerium für die EPA Verhandlungen und die Gestaltung der EU Handelspräferenzen für Entwicklungsländer große Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist ein Lackmustest für die Ernsthaftigkeit einer neuen Partnerschaft mit Afrika, ob es diese nutzt.
Germanwatch-Kommentierungen des Entwurfs zum Marshallplan mit Afrika: