'Kohle steht im Kern des Klimaproblems'
'Kohle steht im Kern des Klimaproblems'
James Hansen, Klimachef der NASA, richtet angesichts der immer deutlicher werdenden Dringlichkeit des Klimaproblems einen energischen Appell an den australischen Premierminister zu einem Umdenken in Bezug auf die Kohlenutzung. National wie international stellt sich der Trend zur Kohle angesichts steigender Öl- und Gaspreise als größtes Klimaproblem heraus. In den letzten Jahren stieg angesichts des starken Zuwachses an Kohle - nicht nur in China - weltweit erstmals seit 100 Jahren sogar der CO2-Ausstoß pro Einheit des Bruttosozialprodukts.
Germanwatch übersetzt Auszüge des Schreibens vom 27. März 2008.
"Sehr geehrter Herr Premierminister, Ihre Führungsstärke bezüglich der Kohlekraftwerke und CO2-Emissionen in Ihrem Land ist notwendig (...)
(...) die wissenschaftlichen Ergebnisse sind eindeutig: Verbrennen wir das meiste unserer fossilen Brennstoffe, und entlassen somit dieses CO2 in die Atmosphäre, werden wir mit Sicherheit viel vom Gefüge und Leben unseres Planeten zerstören. Zu erreichen, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts der Netto-CO2-Ausstoß wie benötigt in der Nähe von Null liegt, bedeutet einen Weg mit substantiellen Emissionseinsparungen bis 2020. (...)
Das globale Klima steht bereits vor kritischen Kipppunkten, die zum Verlust des gesamten Sommermeereseises der Arktis mit verschiedenen schädlichen Effekten, u.a. auf die Tierwelt führen könnten, (...) Außerdem müssen wir mit der Verschiebung von Klimazonen, die das Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten nach sich zieht, rechnen. Dies würde zusätzlich zu einer Verknappung der Süßwasserzufuhr für mehrere hunderte Millionen Menschen führen (...).
Umsetzbares Handeln könnte die Welt jetzt immer noch auf einen Weg bringen, der den Klimawandel minimiert. Kohle steht im Kern des Klimaproblems (...). Kohle hat allein die Hälfte des energiebedingten CO2-Anstieges in der Atmosphäre verursacht, und auf lange Sicht betrachtet hat sie das Potenzial, dafür eine sogar noch größere Quelle zu werden. Infolge der dominanten Rolle von Kohle müssen Lösungen zum Klimawandel einen stufenweise erfolgenden Abbau der Kohlenutzung beinhalten, mit Ausnahme der Fälle, in denen das CO2 abgeschieden und gelagert wird (CCS). Scheitern wir darin, können wir große Klimaänderungen nicht mehr vermeiden, da ein wesentlicher Teil des ausgestoßenen CO2 für mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre bleiben wird.
Dennoch gibt es Pläne für den weiteren Abbau und Export von Kohle, für den Bau neuer Kohlekraftwerke überall auf der Welt, einschließlich Australiens. Diese Kraftwerke hätten eine Laufzeit von einem halben Jahrhundert oder mehr. Würden Sie sich in einer führenden Rolle dazu entschließen, diese Pläne zum Stillstand zu bringen, könnte dies Grundlage für einen Wechsel sein, der zur Lösung des Klimaproblems gebraucht wird.
Die Entscheidung über alternative Energiequellen - erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Atomkraft, fossile Brennstoffe mit CCS - dies sind nationale Angelegenheiten. Aber die Entscheidung zu einem graduellen Ausstieg aus der Kohle, außer in den Fällen, in denen das CO2 abgeschieden wird, ist eine globale Pflicht, wenn wir die Wunder der Natur, unsere Küsten und unseren sozialen und ökonomischen Wohlstand behalten wollen.
Obwohl die Kohle hier die dominante Rolle spielt, gibt es jedoch wichtige zusätzliche Notwendigkeiten, einschließlich der nach einem schnellen Wechsel von ölbetriebenen Kraftwerken, industriellen Anlagen und Transportsystemen hin zu sauberen Energiequellen (...), und das Entfernen von Barrieren auf dem Weg zu vermehrter Energieeffizienz.
Wenn der Westen sich für diesen Weg einsetzt, ist dies eine gute Grundlage für Gespräche mit Entwicklungsländern. Angesichts des Potentials für Techniktransfer, der zunehmenden Wahrnehmung der negativen Folgen des Klimawandels und des Einflusses des globalen Handels und der zunehmenden gegenseitigen Abhängigkeit davon, ist Erfolg nur in Kooperation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern verwirklichbar.
Pro Kopf hat die westliche Welt den größten Beitrag zum energiebedingten Anstieg des CO2 in der heutigen Atmosphäre geleistet. Dies ist kein Versuch, Schuld zuzuteilen. Es berücksichtigt nur die Realität der frühen industriellen Entwicklung dieser Länder, und zeigt die Verantwortlichkeit auf, bei der Lösung des Klimaproblems voranzugehen.
Eine feste Entscheidung für den Baustopp von Kohlekraftwerken, solange diese CO2 nicht abscheiden, wäre ein großer Schritt in Richtung der Lösung. Australien hat ein starkes Interesse an der Lösung des Klimaproblems. Bürger der Vereinigten Staaten setzen sich massiv dafür ein, ein Kohlekraftwerk nach dem anderen zu stoppen, und große Veränderungen sind nach der bevorstehenden Wahl zu erwarten.
Wenn Australien den Bau von Kohlekraftwerken, die CO2 nicht abscheiden und lagern, stoppen würde, könnte dies ein Wendepunkt sein für die Welt. Es bleibt noch Zeit, diesen Wendepunkt zu finden, jedoch nur gerade noch so. Ich hoffe, dass Sie diesen Erwägungen bei der Ausrichtung Ihrer nationalen Politik Aufmerksamkeit schenken werden. Sie haben das Potenzial, die Zukunft unseres Planeten zu beeinflussen.
Premierminister Rudd, wir dürfen vor den grundlegenden Fakten über fossile Brennstoffe nicht unsere Augen verschließen, noch vor den Folgen, die diese für das Leben auf unserem Planten haben, wenn wir sie ignorieren. Wenn wir weiterhin Kohlekraftwerke ohne CCS bauen, werden wir künftigen Klimakatastrophen, die wir mit Aktivierung der Klimakipppunkte auslösen, nicht mehr verhindern können. Wir müssen das Kohleproblem jetzt lösen. (...)
Dr James E. Hansen (...)"
Quelle: Columbia University