Wählen für Bäuerinnen und Bauern, Bienen und Klima
Wählen für Bäuerinnen und Bauern, Bienen und Klima
Michael Hüter
Es wird immer deutlicher, dass sich die Landwirtschaft in Europa grundlegend verändern muss. Seit Jahrzehnten geben immer mehr Höfe auf. Vor fünfzig Jahren war das noch sinnvoll, da man mit sehr kleinen Betrieben nicht genug verdienen kann. Heute gelten aber viele Höfe mit hundert Milchkühen oder tausenden Schweinen schon als zu klein. Immer größere Betriebe machen mehr Arbeit, bringen aber am Ende oft nicht mehr Gewinn. Das liegt auch daran, dass immer mehr Getreide, Fleisch und Milch auf dem Weltmarkt verkauft werden. Dort sind die Preise meist niedrig.
Um Kosten zu sparen, werden Kühe und Schweine in immer größeren Ställen gehalten und immer größere Felder bewirtschaftet. Für Tiere, Umwelt und letztlich auch Menschen hat das viele Nachteile.
Das Spritzen giftiger Chemikalien soll Unkraut, Krankheiten und schädliche Insekten fernhalten. Zudem werden die Pflanzen chemisch gedüngt, um viel zu ernten. Wildtiere wie Bienen, Rebhühner oder Feldhasen finden deshalb immer weniger Lebensräume. Insekten und mit ihnen viele Vogelarten werden verdrängt, ebenso wildwachsende Pflanzen. Die biologische Vielfalt geht zurück.
Tiere, die zu wenig Platz im Stall haben, erkranken öfter und müssen regelmäßig mit Medikamenten behandelt werden. Das kann dazu führen, dass Krankheitserreger gegen Antibiotika unempfindlich werden. Diese Medikamente wirken auch bei Menschen nicht mehr, wenn sie von diesen Erregern befallen sind. Oft verletzen Tiere sich auch gegenseitig, wenn sie zu wenig Platz haben. Um das zu verhindern, werden Schweinen die Schwänze abgeschnitten, Hühnern die Schnäbel gekürzt und Kühen die Hörner entfernt.
Werden viele Tiere in einer Region gehalten, entsteht dort mehr Dung, als die Pflanzen als Dünger brauchen können. Der Überschuss geht als Ammoniak in die Luft oder als Nitrat ins Wasser. Beides gefährdet die Gesundheit.
Um einen katastrophalen Klimawandel zu verhindern, ist es notwendig, viel weniger Klimagase auszustoßen. In der Landwirtschaft ist das nur durch weniger Tierhaltung möglich. Denn drei Viertel der Klimagase in der Landwirtschaft kommen aus Güllelagern, den Mägen von Rindern und dem Anbau von Futter. In den letzten Jahren wurden in Deutschland aber mehr und nicht weniger Kühe und Schweine gehalten. Vor allem um mehr Fleisch und Milch zu exportieren.
Ein großer Teil der Exporte geht nach Afrika. Für die Kleinbäuerinnen und -bauern dort bedeuten sie eine starke Konkurrenz auf ihren heimischen Märkten. Die zunehmende Nachfrage in den wachsenden Städten decken vor allem Importe. Für die afrikanischen Bauern bleiben wenig Chancen, mehr zu verkaufen und zu verdienen.
Noch weit entfernt von nachhaltig
Die europäische Agrarpolitik soll den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung dienen. Aber die Vorschläge der Europäischen Kommission bleiben halbherzig, unter anderem wegen des Drucks aus Deutschland.
Die Kommission schien erkannt zu haben, dass weitgehende Änderungen notwendig sind. In ihrem ersten Vorschlag für eine veränderte europäische Agrarpolitik versprach sie, die 2015 beschlossenen umfassenden Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erreichen zu wollen. Das würde mehr Umwelt- und Klimaschutz und bessere Einkommen für Bäuerinnen und Bauern in Europa und in Entwicklungsländern bedeuten.
Die Europäische Kommission will mit ihrem Vorschlag einige dieser Nachteile angehen. So sollen die Direktzahlungen, die Großbetriebe pro Jahr bekommen, begrenzt werden. Auch sollen sie an wirksamere Bedingungen für die Umwelt geknüpft werden. Auf einem Acker sollen in den Folgejahren nicht dieselben Pflanzen nacheinander angebaut werden. So verlieren die Böden weniger Nährstoffe und Schädlinge gegen bestimmte Pflanzen können sich nicht so schnell ausbreiten. Auch dürfen LandwirtInnen Grasland nicht zu Äckern umbrechen. Grasland speichert mehr Kohlenstoff und mehr Tier- und Pflanzenarten finden einen Lebensraum. Allerdings sollen vor allem die Mitgliedsländer bestimmen, wie die neuen Bedingungen umzusetzen sind. Damit droht die Gefahr, dass die Regierungen nur schwache Bedingungen vorgeben. So könnte in ihrem Land kurzfristig billiger produziert werden und es gäbe einen „Wettbewerbsvorteil“ – der uns allen aber teuer zu stehen kommt.
Ähnlich ist es mit der Vorgabe, dass alle Länder ihren Bauern und Bäuerinnen zusätzliche Umweltprogramme anbieten müssen. Es bleibt offen, wie diese aussehen sollen und wie viel Geld dafür zur Verfügung gestellt wird. Fest steht nur, dass auch diese Programme an die Fläche gebunden sein müssen. Damit wird es zumindest schwieriger, notwendige Änderungen in der Tierhaltung mit EU-Geld zu finanzieren. Denn viele Geflügel- und Schweinehalter haben nur wenige eigene Flächen. Dagegen sollen ausgerechnet die Ausgaben für ländliche Entwicklung besonders stark gekürzt werden. Mit ihnen ließe sich sonst ein Umbau der Tierhaltung und mehr Umweltschutz gezielt finanzieren.
Das Europaparlament muss den Wandel vorantreiben
Die Vorschläge der Kommission bewegen sich in die richtige Richtung. Aber sie gehen überhaupt nicht weit genug. Einer neuen Agrarpolitik müssen die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament zustimmen. Der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments hat über den Vorschlag der Kommission beraten. Er lehnt wichtige positive Veränderungen in Richtung der Nachhaltigkeitsziele ab. So fordert der Ausschuss, weniger Geld für Umwelt- und Klimaschutz auszugeben und höhere Exporte der EU als gleichwertiges Ziel aufzunehmen. Damit würden Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützt, noch mehr und noch billiger zu produzieren.
Die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erfordern eine Landwirtschaftspolitik, die Umwelt und Klima besser schützt und mit der kleinere Betriebe besser verdienen. Damit das nächste Europäische Parlament diesen Wandel vorantreibt und nicht bremst, braucht es die richtigen Mehrheiten. Am 26. Mai können die Wählerinnen und Wähler mit- entscheiden, in welche Richtung die Landwirtschaft in Europa in den nächsten Jahren steuert.
Tobias Reichert